Kapitel 96. Kronprinz Albert von Sachſen im Liede ſeiner Soldaten.

Zu den erlauchten Fürſten aus dem Hauſe Wettin, deren Heldenſtirn der Siegeslorbeer ſchmückt, und denen es vorbehalten war, in den ſchweren Kriegs­ zeiten ſich unverwelklichen Ruhm zu erwerben, gehört in erſter Linie König Albert von Sachſen. Schon ſeit früheſter Jugendzeit, bereits vor ſeinem Ein­ tritte in das Offiziercorps des ſächſiſchen Heeres als aktiver Offizier im Leib­ infanterieregiment (24. Okt. 1843), war er dem Militär mit herzlicher Liebe zu­ gethan; und weil er von jeher durchaus Soldat mit Leib und Seele geweſen iſt und ein echt kameradſchaftliches Mitgefühl ſowohl den Offizieren wie auch den Soldaten entgegengebracht hat, ſo war er und iſt er noch der erkorene Liebling ſ einer Soldaten, in deren Kreis er ſich allgemeinſter Verehrung und größter Beliebtheit erfreut.

In allen Feldzügen gab Prinz, ſpäter Kronprinz Albert, immer an der Spitze der wehrhaften Jünglinge und Mannen des Sachſenlandes ſtehend, ſeinen Truppen ein leuchtendes Beiſpiel ſoldatiſcher Bravour, indem er nicht von ihrer Seite wich, vielmehr die kämpfenden Söhne ſeines Vaterlandes durch ermutigende Worte zur Tapferkeit anfeuerte. Mußte es nicht begeiſternd auf die Truppen wirken, wenn Prinz Albert, was am 13. April 1849 im däniſchen Kriege geſchah, ſich im heftigſten Geſchütz- und Gewehrfeuer zeigte und die ſächſiſchen Soldaten zum Ausharren ermunterte? Solche Beweiſe von Unerſchrockenheit, Kaltblütigkeit und perſönlicher Tapferkeit eines fürſtlichen Helden vergeſſen die Soldaten nicht ſo leicht. Sie bilden den Gegenſtand ihrer Unterhaltung im Biwak, auf dem Marſche, in den Kaſernenſtuben. Wird einmal auf dem Marſche ein erfriſchendes Lied angeſtimmt, was kann dann anders ſein Inhalt ſein als die Thaten und die löblichen Soldateneigenſchaften des königlichen Helden? Überwältigt von ſeiner Perſönlichkeit, ſangen ehemals die braven Erſtürmer der Düppler Schanzen, die wackeren Streiter und Sieger in Jütland:

„Alſobald hat man die ganzen Tod und Wunden ſpei’nden Schanzen Feſten Sturmſchritts in Gewalt. Prinz Albert, jung, ein tapfrer Degen, Als Kamerad im Kugelregen Feuert an, wo’s platzt und knallt!

Drum, ihr Brüder, ſtoßt an: Hoch lebe der General,

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Prinz Albert ſoll leben, Der die Schanzen that nehmen, Und ein jeder Offizier! Tapf’re Sachſen ſind wir.“

Oder:

Wer wollte nicht zu Felde, Felde ziehn, Wenn uns der Oberſt führt? Wer wollte nicht wie Mauern, Mauern ſtehn, Wenn uns Prinz Albert kommandiert? Wenn’s heißt, der Feind rückt an, Freut ſich ein jeder Mann. Legt an! Gebt Feuer und ladet, ladet ſchnell Und weicht von keiner Stell’!“

Wie die im däniſchen Kriege und in den Manövern und Übungen bewieſene echt ſoldatiſche Haltung den hohen Beifall des Vaters[73] des königlichen Helden und den des Generals von Prittwitz[74] fand, der ſeinem Ordonnanzoffizier, dem Prinzen Albert, uneingeſchränktes Lob zollte, ſo gefiel ſein leutſeliges Weſen be­ ſonders dem gemeinen Soldaten, und dieſer feierte die Anſpruchsloſigkeit ſeines Führers, der die Entbehrungen der Soldaten auf dem Marſch und im Biwak gern Und freiwillig mit ertrug, in einfachen, aber herzlichen Weiſen:

„Soldat, das iſt mein Leben, Soldat iſt meine Luſt, Der Kronprinz kommandieret, Trägt Sterne auf der Bruſt.

Er ſchaut auf uns hernieder, Er reitet uns voran, Es kennet unſer Albert Wohl einen jeden Mann.

Er thut mit uns kampieren Im Biwak auf dem Felde ‚Guten Morgen, Kameraden!‘ Das Leben mir gefällt.“

Der Unglückliche Ausgang des Krieges in Böhmen 1866 that dem Glauben an die Kriegstüchtigkeit und das Feldherrntalent des Kronprinzen, das

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ſich bei Gitſchin und Königgrätz bewährt hatte, keinen Abbruch. Die Soldaten­ poeſie bekennt die Unerſchrockenheit, die Tüchtigkeit des Feldherrn:

„In Böhmen, Kameraden, Der Kronprinz kommandiert’; ,Thu keiner ſich ergeben, Und niemand retirier'.‘“

„Mit unſerm Kronprinz an der Schar Ging’s friſch hinein in die Gefahr, Da reitet Albert zu uns ran: ‚Stell heute jeder ſeinen Mann!‘“

Trotz des Mißerfolges blieb er der erklärte Liebling, das Ideal ſeiner ihm treu ergebenen Soldaten; ſie ſangen:

„Kronprinz Albert ſteigt zu Pferde, Zieht mit uns ins Feld; — ‚Siegreich woll’n wir Frankreich ſchlagen, Sterben als ein tapfrer Held.‘“

Wer hört nicht in den wuchtigen Tönen dieſes echten Soldatenliedes die Siegeszuverſicht und das unbedingte Vertrauen zum erprobten Schlachtenführer? Es iſt dieſes Soldatenlied: „Kronprinz Albert ſteigt zu Pferde“ zu einem Ge­ meingut aller Sachſen geworden, die des Königs Rock getragen haben und tragen, eine Lieblingsweiſe des ſächſiſchen Heeres. Als nun in den Auguſttagen des Jahres 1870 die todesmutigen Sachſenſöhne mit unvergleichlicher Tapferkeit unter den Augen ihres Feldherrn die feſtungsähnlichen Höhen von Roncourt und Marie aux chênes ſtürmten und mit flatternden Fahnen in die feuerſprühenden Gaſſen von St. Privat eindrangen, da war dieſem Soldatenliede ein neuer, lebens­ kräftiger Inhalt gegeben, da erfuhr es bald eine Weiterbildung und Ausgeſtaltung:

„Kronprinz Albert ſteigt zu Pferde, Reitet uns voran, Wenn ihn ſehn die roten Hoſen, Fliehet jedermann.

Brüder, auf mit luſt’gem Klange Kronprinz Albert hoch, Der voran mit der Kolonne Ein nach Frankreich zog!“

Als Kronprinz Albert immer neue Lorbeeren um ſeine fürſtliche Stirne wand und die für unbeſiegbar gehaltenen Franzoſen in mehreren entſcheidungs­ vollen Kämpfen ſchlug, einmal ſogar in der Nacht ſeine Truppen wecken ließ und mit einem Teile derſelben die feindlichen Führer frühmorgens überraſchte und dann beim weltgeſchichtlichen Entſcheidungskampfe fünf Stunden früher eingriff, als er erwartet wurde — fünf ereignisreiche, ſchwerwiegende Stunden –, da war ſeinen kampfesmutigen und ſangesfreudigen Kriegern für ihre ſchlichten Dichtungen ein würdiger, großartiger Stoff gegeben, und die Erinnerungen an dieſe unvergleichlichen Siege boten Veranlaſſung zu folgenden Soldatenweiſen:

„Vivat hoch, der Kronprinz lebe, Unſer tapfrer Kommandeur! ,Immer vorwärts‘ heißt es eilen, Alſo machet ihm auch Ehr!

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Hoch im Winde flattern Fahnen, Grün und weiß; hurra! Stürmen wir vom Berg hernieder, Iſt kein Feind mehr da.

Kronprinz Albert thät ſie fangen Früh am hellen Tag, Tauſend von den roten Hoſen, All’ auf einen Schlag.

Unſer ſind die Mitrailleuſen, Die Monturen rot, Da dem Feind die Kanonade Guten Morgen bot.“

Und einem bekannten, den preußiſchen Kronprinzen Friedrich Wilhelm feiern­ den Volksliede nachgebildet, ſangen die Sachſenbrüder:

„Unſer Albert, Prinz von Sachſen, War dem Marſchall auch gewachſen, Schloß ſogar den Kaiſer ein Und dabei noch obendrein Mae Mahon, Mac Mahon, Albert kommt und hat ihn ſchon.“

Die hervorragende Thätigkeit des Kronprinzen beim „Keſſeltreiben“ von Sedan Und ſeine große Neigung, die er dem edlen Weidwerk in Friedenszeiten entgegenbringt, gaben ſpäter einem ſächſiſchen Soldaten Anlaß zu nachfolgender Dichtung:

„Herr Albert wollt’ einſt jagen Wohl in den Auguſttagen Ein Wild gar ſeltner Art. Er ließ die Treiber wecken: ‚Fahrt aus durch Buſch und Hecken, Nur fachte, mit Bedacht!‘ Halli, hallo, halli, hallo, Der Kronprinz weckte ſo.

‚Daß keiner mir jetzt ſchwatze, Sein Pfeiflein keiner ſchmatze, Gebt Feuer nicht noch Dampf! Wenn ihr es habt gefangen, Könnt alles ihr verlangen, Doch vorwärts jetzt zum Kampf!‘ Halli, hallo, halli, hallo, Der Kronprinz jagte ſo.

Bald war das Wild gefunden In frühen Morgenſtunden, Im Schlummer lag es noch. In wald‘gen Thalesgründen, Da war das Wild zu finden. Früh aufſteh‘n lohnt ſich doch. Halli, hallo, halli, hallo, Der Kronprinz fing es ſo.

Und als vorbei das Jagen, Spricht Albert mit Behagen: ‚Das habt ihr gut gemacht! Jetzt ſucht hervor die Pfeife, Zum Brotſack jeder greife, Die Jagd iſt nun vollbracht!‘ Halli, hallo, halli, hallo, Der Kronprinz lobte ſo.“[75]

So wurden alle wichtigen und erfolgreichen Ereigniſſe, welche die von Kronprinz Albert befehligten Krieger in ihrer Geſamtheit berührten, in ſchlichte Verſe gebracht. In dieſen fand ſowohl die gemeinſame Stimmung als auch die tüchtige Geſinnung unſerer ſächſiſchen Kriegsleute einen vollkommenen, wahren

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und unverfälſchten Ausdruck. Haftet dieſen Klängen auch manches Rauhe und Ungefüge in Wort und Wendung an, ſo machten ſie dennoch bald die Runde durch alle Truppenteile und waren in aller Munde, bis endlich neuere Ereigniſſe ſie verdrängten und die Gemüter, welche von der lebendigeren Gegenwart näher berührt werden, davon abgelenkt wurden.

Die ſchlichten Weiſen der ſingenden ſtreitbaren ſächſiſchen Kriegsleute aber ſind von hoher Bedeutung: ein deutliches Zeugnis der hohen Verehrung für ihren bewährten Kriegsherrn, den ſie auf gleiche Höhe mit den gefeiertſten Helden Deutſchlands ſtellen: Prinz Eugen, Friedrich II. uud Wilhelm I., die im Liede fortleben werden bis in die fernſten Zeiten.

Ernſt Rich.Freytag.



[73] Prinz Johann erzählt in ſeinem Tagebuche: „Während wir (im Rittergut Zſchorna gelegentlich eines Manövers) beim Souper ſaßen, kam Albert herein, um etwas Nahrungsmittel zu faſſen. Ich lud ihn ein, an meinem Tiſche Platz zu nehmen; er lehnte es aber ab, um zu ſeinem Poſten zurückzukehren. Dieſe echt militäriſche Haltung des jungen Mannes gefiel mir ſehr gut, ſowie ich überhaupt mit Freude hörte, daß er ſich ſehr ausdauernd und ſoldatiſch gezeigt habe.“

[74] Der die ſächſiſchen Truppen befehligende General von Prittwitz ſchrieb (16.Aug.1849) an den Prinzen Johann: „Prinz Albert beſitzt die Gabe, nicht allein die Verehrung und treue Anhänglichkeit einzelner Perſonen, ſondern auch die Herzen aller derer zu gewinnen, welche nur irgend des Vorzugs teilhaftig werden, in Berührung mit Sr. Königl. Hoheit zu kommen. Dieſe Gabe, verbunden mit Verachtung der Kriegsgefahr, Bewahrung des kalten Blutes in den ernſten Lagen und dem Geſchick, Offizieren und Soldaten gegenüber ſtets die richtige That oder das richtige Wort zu finden, haben den Prinzen ſchnell auf einen Punkt geſtellt, der eine Leitung entbehrlich machte . .“ u. ſ. w.

[75] Die vorſtehenden Dichtungen ſind dem Werke: „Freytag, Hiſtoriſche Volkslieder des ſächſiſchen Heeres. Dresden 1892. Glöß“ entnommen.