Im Jahre 1509 ſiedelte von Nürnberg nach Annaberg, der raſch empor blühenden Bergſtadt im ſächſiſchen Erzgebirge, Michael Lotter über. Ein Erb ſchaftsprozeß ſoll denſelben zum Verlaſſen der alten Reichsſtadt bewogen haben. Er kam mit ſeinen beiden Söhnen Hieronymus, welcher Ende 1497 oder Anfang 1498 in Nürnberg geboren war, und dem ſechs Jahre jüngeren Anton in Anna berg an. Vater Michael Lotter muß großen Wert auf die Erziehung ſeiner Söhne gelegt haben, da die Chronik berichtet, es ſei auch der Lehrer der beiden Knaben, mit Namen Michael Hausleuter, in die ſächſiſche Bergſtadt mit gezogen. Die reiche Ausbeute der Silbergruben verſchaffte dem Nürnberger Kaufmann bald Reichtum und Anſehen in ſeiner neuen Heimat, ſo daß die Annaberger Bürger 1536 Michael Lotter zu ihrem Bürgermeiſter erwählten. Von dieſer Zeit an fügte er zur Beſoldung des Pfarrers aus eigenen Mitteln jährlich 50 Gulden hinzu, unter den verſchiedenen Bildern, welche die Brüſtung der Empore in der herrlichen St. Annenkirche in Annaberg ſchmücken, trug das 28. Bild, Kains Brudermord darſtellend, die Inſchrift der Stifter: „Michael Lotter und Barbara, deſſen Ehefrau.“
Die beiden Söhne des Annaberger Bürgermeiſters, Hieronymus, welcher das Bauhandwerk erlernt hatte, und Anton, der ſich der Kaufmannſchaft widmete, wandten ſich nach erlangter Selbſtändigkeit nach Leipzig, wo ſie infolge ihrer Rührigkeit und Ausdauer allmählich zu Wohlſtand gelangten. Vor allem war es Hieronymus, welcher hier als Baumeiſter ſich auszeichnete. Von ihm ſagt Dr. Wuſt mann in ſeiner trefflichen Arbeit über Hieronymus Lotter: „Es iſt der einzige große Baumeiſter, den Leipzig während des ganzen 16. und 17. Jahrhunderts aufzuweiſen hat, und vergleicht man mit ſeinen Bauwerken die Leipziger Archi tektur des 18. und 19. Jahrhunderts, ſo kann man ſogar noch weiter gehen und ihn mit Fug und Recht den ‚Baumeiſter von Leipzig‘ nennen.“
Lotter baute das Kornhaus auf dem Brühl, dem Frauenkollegium gegenüber, des Badſtubenhaus am Ranſtädter Thore, erhöhte den Nicolaikirchturm und ver ſah ihn mit einer Wächterwohnung, brach das alte Rathaus ab und vollendete den Neubau bis zur Bewohnbarkeit binnen 9 Monaten. Fremde Kaufleute, heißt es, die zur Oſtermeſſe den Beginn des Neubaues mit angeſehen hatten, waren,
als ſie zur Michaelismeſſe wiederkehrten, „mit Verwunderung über ſo unverhofften Fortgang faſt erſtarret“. Dieſes Rathaus, welches heute noch ſteht und von Lotter im Jahre 1556 erbaut wurde, zeigt ſeiner urſprünglichen Geſtalt gegenüber nur geringe Abweichungen. An der Stelle, wo ſich heute die Kaufmannsgewölbe befinden, war früher ein auf Säulen ruhender, bedeckter Laubengang. Das Pegauer Rathaus, eine vereinfachte und etwas abgeänderte Wiederholung des Leipziger Rathauſes, iſt nach Lotters Plänen von dem Leipziger Steinmetzen Paul Widemann erbaut worden. Übrigens beſitzt erſteres das lebensgroße Bildnis des großen Baumeiſters aus dem Jahre 1564.[40]
Hieronymus Lotter.
Auch die Gunſt ſeines Landesherrn, des Kurfürſten Moritz, erwarb ſich Lotter in hohem Grade, und es ward ihm der Auftrag, die Pleißenburg als Schloß und Feſtungsbau neu herzuſtellen. Mit der Weiterführnng dieſes großartigen Baues wurde er als kurfürſtlicher Baumeiſter auch nach dem am 9.Juli 1553 in der Schlacht bei Sievershauſen erfolgten Tode des Kurfürſten Moritz von deſſen Bruder und Nachfolger, dem Kurfürſten Auguſt, betraut. Kurfürſt Auguſt, unter dem Beinamen „Vater Auguſt “ in der Geſchichte bekannt, ehrte ſeinen Bau meiſter, indem er, allein oder in Begleitung ſeiner Gemahlin, der Kurfürſtin Anna, bei ſeinem Beſuche der Stadt Leipzig in Lotters Behauſung abſtieg. Einſt äußerte
Das Rathaus in Leipzig, ein Werk Lotters in ſeiner urſprünglichen Geſtalt.
die Kurfürſtin Anna den Wunſch, einen Kanarienvogel zu haben. Lotter, der einen ſolchen damals in Deutſchland noch äußerſt ſeltenen Vogel beſaß, beeilte ſich, ſeiner hohen Herrin ein derartiges Vöglein nach Dresden zu ſenden.
Mit dem Jahre 1560 finden wir Hieronymus Lotter in der alten Bergſtadt Geyer. Er kaufte in dem erwähnten Jahre den ſogenannten Preußerhof, einen damals mit Rittergutsgerechtſamen, ſelbſt mit „Gerichten über Hals und Hand“ verſehenen Freihof. Nach fünfjährigem Beſitze veräußerte er dieſen und erwarb dafür das Rittergut Geyersberg nebſt etlichen naheſtehenden Bürgerhäuſern, die er zum Teil abtrug, als er ſein Wohnhaus vom Grund aus neu auſführte, dieſen ſoliden, zweiſtöckigen Bau mit ſandſteinernen, einfach profilierten Fenſter gewänden, der heute noch ſteht. Mit Lotter begann in der Stadt Geyer ein neues Leben. Durch ſeine Kunſtfertigkeit zur Bauluſt angeregt, ließ der Rat die beiden damals vorhandenen Brauhäuſer und den Rathausturm neu herſtellen und den Wachtturm mit Türmerwohnung und Glocken verſehen. Vorzugsweiſe nahm aber der Bergbau im Geyersberge Lotters Thätigkeit in Anſpruch. Um demſelben näher zu ſein, hatte er den Freihof gekauft und neu hergeſtellt. Daher findet ſich ſeitdem der Name Geyersberg auf dieſen Freihof übertragen, ſo daß an die Stelle der bisherigen Benennung Lehngut oder Freihof „aufm Geyer“ der Name Lotters „Geyersbergſcher Hof“ oder „Rittergut Geyersberg“ tritt. Überblickt man die geſamte Geſchichte des Rittergutes, ſo erreichte dasſelbe zugleich mit dem Bergbaue im Geyersberg unter Lotter unzweifelhaft ſeine Blütezeit.
Wie in Leipzig, ſo war auch auf dem Lotterhofe in Geyer der Kurfürſt nebſt ſeiner Familie, ſo oft er im Gebirge weilte, Lotters Gaſt. Hier ſuchte Kurfürſt Auguſt ſeinen Baumeiſter zu beſtimmen, ihm auf dem Schellenberge ein Schloß, die ſpätere Auguſtusburg, zu erbauen. Als ob Lotter geahnt hätte, wieviel Beſchwerlichkeit, Kümmernis und Undank gerade dieſer Bau ihm bringen würde, ging er anfangs nicht auf den Plan ein, ſondern ſchützte ſein hohes Alter — er ſtand damals in ſeinem 69. Lebensjahre — vor. Erſt durch die Kurfürſtin Anna ließ Lotter ſich beſtimmen, ihrem Herrn und Gemahl die Bitte nicht abzuſchlagen.
Im September 1567 beſprachen Bauherr und Baumeiſter auf dem Schellen berge die nötigen Vorbereitungen und die Baupläne, welche Lotter nebſt dem ge ſchnitzten Modell dem Kurfürſten übergab. Am 30. Mai 1568 fand die Grund ſteinlegung zum Bau des Schloſſes ſtatt. Auf der Bauſtelle waren anfangs 232 Maurer, 120 Helfer, 84 Kalkjungen, 30 Kalkſtößer, 63 Kalkführer, 52 Kalk ſetzer, 232 Handarbeiter, 10 Rüſtmeiſter, kurz, an 1000 Menſchen beſchäftigt; doch ermäßigte ſich dieſe Zahl bisweilen, wenn die Zuführung der Materialien bei dem Fortſchreiten des Baues ins Stocken geriet. Man kann ſich heutzutage ſchwer einen Begriff machen von den Schwierigkeiten, die damals beim Bau eines ſo umfangreichen Schloſſes auf einem ſo hohen und ſteilen Berge, fern von allen größeren Niederlaſſungen, bei dem Mangel von fahrbaren Straßen u. ſ. w. obgewaltet haben müſſen. Schon die Heranziehung ſo vieler Arbeiter verurſachte nicht geringe Mühe. Aber noch ſchwieriger war es, ſie im Zaum zu halten und bei der Arbeit zu beaufſichtigen. Anfangs erhielten die Maurer wöchentlich 18 Groſchen Lohn. Durch wiederholte Meutereien (Aus
ſtände) ſuchten ſie bald kürzere Arbeitszeit, bald höheren Lohn zu erzwingen. Obwohl man mit Strenge gegen ſie vorging und die Rädelsführer ohne weiteres in die Gefängniſſe brachte, deren der Kurfürſt gleich bei Beginn des Baues mehrere hatte errichten laſſen, ſo gab es doch mancherlei Störung und Verdruß, bis ſpäter der Lohn auf 21 Groſchen wöchentlich, eine für die damalige Zeit ſehr hohe Be zahlung, für die Maurer erhöht worden war. Neben den eigentlichen Bauleuten mußten auch die Amtsunterthanen harte Fronden leiſten, die Begüterten die Ma terialien anfahren und mit den Unangeſeſſenen täglich hundert Handlanger ſtellen. Auch die benachbarten Herren vom Adel wurden um Leiſtungen von Fuhren an gegangen. Die Schlöſſer der Ämter Schwarzenberg, Grünhain, Wolkenſtein und Lauterſtein, ja ſelbſt Noſſen, Colditz, Rochlitz und Leisnig mußten für Kalk ſorgen u. ſ. w.
Das Schloß Auguſtusburg gehört in ſeiner urſprünglichen Anlage zu dem Großartigſten und Herrlichſten, was das ſechzehnte Jahrhundert auf dem Gebiete der Baukunſt überhaupt geſchaffen hat. Auf dem breiten Rücken des Berges erhebt ſich in einer durchſchnittlichen Frontenlänge von 168 Meter ein quadratiſcher Bau. Denſelben flankieren 4 gewaltige Eckhäuſer: vorn, nach Norden und Weſten das „Sommerhaus“ und das nach der vor ihm ſich erhebenden uralten Linde benannte „Lindenhaus“, hinten links das „Küchen“- und rechts das „Haſen haus“. Zwiſchen dieſen Eckbauten fügen ſich die Thorgebäude, der Saalbau und der Kirchenbau dergeſtalt, daß der Hof, abgeſehen von den vortretenden Treppen häuſern, ein gleichſchenkliges Kreuz bildet. Das Schloß ruht auf mächtigem, kaſemattenartigem Unterbau. Im Norden, Weſten und Oſten ſchließen ſich Graben mauern an das Thorhaus an. Zum Haupteingange gelangt man über den Graben auf einer ſteinernen Brücke, deren vorderes Ende wieder durch das Thorhaus brückenkopfartig bewehrt iſt. So macht das Ganze durchaus den Eindruck einer kleinen Feſtung. Die hohen Wände zeigen geringen architektoniſchen Schmuck; nur das Portal und kleinere Pforten beleben mit den Fenſtern in etwas die öde Fläche. Oben zog ſich um das ganze Haus ein Sims und längs der äußeren wie inneren Fronten des Schloſſes ein ſteinerner Rundgang, der ſogenannte „Schloßgang“, welcher mit Bleiplatten abgedeckt war. Die Dächer waren ur ſprünglich mit buntglaſierten Ziegeln eingedeckt; kupferne Knäufe mit Windfahnen, welche das kurfürſtliche Wappen zeigten, und hohe Schornſteine belebten das Äußere des Schloſſes und ließen es, wie die Abbildung S. 97 (Dilichs Federzeichnung) beweiſt, um vieles zierlicher erſcheinen, als dies jetzt der Fall iſt. Der Volksmund ſagt, das Schloß hat ſo viele Fenſter als Tage, ſo viele Eſſen als Wochen und ſo viele Wetterfahnen, als Monate im Jahre ſind. Das Schloß ſelber iſt jetzt zum Teil verfallen und weſentlich entſtellt. Es enthielt urſprünglich 5 große Säle, 7 Vorſäle, 74 Zimmer, 96 Kammern, 3 Küchen und 25 Keller. Reich war das Schloß mit Metallarbeiten, Möbeln, orientaliſchen Teppichen, venetianiſchem Glas werk geſchmückt, namentlich auch mit Gehörnen von Hirſchen, Rehen, Elens, Steinböcken, Gemſen u. ſ. w. Es wird von 4201 Stück berichtet.
Nachdem die Nachfolger des Erbauers der Auguſtusburg verſchiedene Ver änderungen an derſelben hatten vornehmen laſſen, erlitt ſie während des dreißig
jährigen Krieges ſchwere Verwüſtungen, namentlich durch die Kroaten im Auguſt 1632. Schlimmeres noch verſchuldete der Aberglaube 1669. In dem Glauben, Blei habe ſich nach Verlauf von hundert Jahren in Silber verwandelt, riß man den Bleibelag von den Galerien ab und verurſachte hierdurch deren Untergang. Das folgende Jahrhundert, in welchem die Auguſtusburg, namentlich während des ſieben jährigen Krieges, öfters militäriſch beſetzt ward, ließ ſie weiter verfallen, bis dann im Jahre 1798 die völlige Abtragung der Galerien ſowie der oberen Zimmer und Erker erfolgte und die letzteren überdeckt wurden. In den Jahren 1800 bis 1802 erhielt das Schloß das Ausſehen, das es in der Hauptſache jetzt noch hat.
Zu den Merkwürdigkeiten der Auguſtusburg gehört heute noch der Brunnen,
den ebenfalls im Jahre 1568 Lotter und der Bergmeiſter Martin Planer zu
Freiberg zu bauen begannen, der aber erſt nach 1572 vollendet ward. Er iſt
170 Meter tief und faſt in ſeiner ganzen Tiefe in ſtark eiſenhaltigen Fels ge
trieben. Bis zum Jahre 1879 war er in Betrieb und verſorgte das Schloß, ja,
teilweiſe auch die Stadt Schellenberg mit Waſſer, ohne jemals zu verſiegen. Nur
eimnal wurde er gänzlich ausgeſchöpft, nämlich im Jahre 1651, als bei einem
Jagdfeſte, das Johann Georg
Lotter hat den größten und ſchwierigſten Bau ſeines Lebens nicht vollendet. Es wurde ihm die ſchmerzliche Demütigung, daß der Bau kurz vor ſeiner Voll endung dem Grafen Rochus von Linar übertragen wurde. Dem ungeduldigen und äußerſt ſparſamen Kurfürſten ſchritt der Bau zu langſam vorwärts; auch verſchlang er zu große Summen. Dazu mag noch gekommen ſein, daß Neider dem Kurfürſten ins Ohr flüſterten, Lotter bereichere ſich an den Baugeldern, während es doch Thatſache iſt, daß er noch von der kurfürſtlichen Kaſſe 15000 Gulden zu fordern hatte, welche ihm aber niemals ausgezahlt worden ſind, und ferner Thatſache, daß der reiche Leipziger Kaufmann und Baumeiſter wenige Jahre nach Vollendung der Auguſtusburg ein armer Mann war.
Lotter war bei ſeinem Kurfürſten in Ungnade gefallen. Tiefgekränkt zog er ſich auf ſeinen Hof Geyersberg zurück. Früher ſchon hatte er ſich eines armen, verwaiſten Knaben, Hans Heinrich Bauer, welcher aus Joachimsthal und wahr ſcheinlich ein naher Verwandter ſeiner Gattin war, auf deren Bitten als Vor mund und Pflegevater angenommen. Er hatte keine Mühe geſcheut, von den Trümmern der väterlichen Verlaſſenſchaft dieſes Knaben zu retten, was zu retten war, ſo daß der Knabe ſchließlich 11 000 Thaler beſaß. Leider wagte es Lotter, der in dieſer Zeit ſeinen Geyerſchen Bergbau mit aller Energie betrieb, in der Hoffnung, durch Anwendung größerer Mittel zu noch größerem Gewinne zu ge langen, jene Summe größtenteils für ſeinen Bergbau zu verwenden. Doch dieſer täuſchte ſeine Hoffnung. Jetzt — es war im Jahre 1575 – verlangte der inzwiſchen mündig gewordene Bauer von ſeinem Vormunde mit der Rechnung die Heraus gabe ſeines Vermögens. Dazu ſtanden andere Gläubiger mit großen Forderungen auf. Bei der Verheiratung ſeiner drei Söhne, Albrecht, Ludwig und Hieronymus, hatte Lotter in ſeiner günſtigen Periode bedeutende Verſprechungen als „Wider
lage“ der Mitgift ihrer Frauen gemacht, zu deren Erfüllung er jetzt allſeitig ge drängt wurde. Zu ſeiner Beſchämung mußte Lotter geſtehen, daß er ſeine Gläu biger augenblicklich nicht befriedigen könne. Da ſchritt Bauer zu dem Äußerſten, ſo ſehr er auch dadurch feinen Pflegevater kränkte. Lotter, den einſt ſeine Mitbürger in Leipzig zweimal als Bürgermeiſter gewählt hatten, der im ganzen Lande wegen ſeiner mit ausgezeichneter Geſchicklichkeit allenthalben aus geführten Bauten geachtet war, mußte es erleben, daß Bauer, der ihm doch alles zu verdanken hatte, „vom Rat und Gerichte Kummer (Verkümmerung) in ſein Hans verſtattet worden“, und, heißt es in dem an die kurfürſtliche Regierung gerichteten Briefe weiter: „wie derſelbe, damit noch nicht zufrieden, mit dem alten und neuen Richter, Schöppen, Unterſchöppſchreibern und Gerichtsnotarien über den Markt in ſein Haus gegangen, ihm, dem geweſenen Bürgermeiſter, der, ohne Ruhmrede, bei gemeiner Stadt ſoviel Gutes gethan, zu Schimpf und Unehren einen Span aus der Thür ſchneiden laſſen. Zudem habe ſeine Schwiegertochter, die Albrecht Lotterin, als ſie aus dem Rittergut ge zogen, 23 Fuder Geräte mit ſich genommen, während ſie doch wenig mitgebracht gehabt.“ In einem weiteren Briefe vom 5. Juni 1576 klagt Lotter ſeinen Schmerz dem Kurfürſten Auguſt: „Ich hab’ mir‘s von Jugend auf ſauer werden laſſen und einem Herrn zwanzig Jahre aneinander gedient, in Handelsgewerb und ſonderlich als ich bei der Mannsfeldiſchen Saigerhandlung verwandt geweſt, mein vornehmſt Vermögen auf dem Geyer unter Eurer Kurfürſtlichen Gnaden in mein Zinnbergwerk des Geyerbergs gewandt, der bei meinen Zeiten um 3 bis 400 Gulden zu kaufen und zu erlangen geweſt; ich hab’ aber den Gregor Schütziſchen Erben beinahent um den halben Teil ſeines Geyersbergs, wie Euer Kurfürſtlichen Gnaden das gnädigſte Wiſſen tragen, 7000 Gulden baar Geld be zahlt, welches bemeldtem Zinnbergwerk nicht zu kleinem Aufnahmen gereicht, und ein groß Geld daſelbſt hin verbaut. Als ich nunmehr meines Alters im 79. Jahre durch meine Dienſtleiſtungen und auferlegte Ämter mich abgearbeitet, alt und un vermöglich worden: ſo überfallen mich meine Kinder und unterſtehen ſich aus einem Mißtrauen, mich bei meinem Leben zu beerben, alſo daß ich ihnen ein groß Geld vergnügt (gegeben) und mit meinen Leipzig’ſchen Gütern und baarem Geld bezahlt und zufriedengeſtellt hab’, daß alſo ſie mich nun bei meinem überbleibenden väterlichen Vermögen müſſen bleiben laſſen und mich um nichts mehr zu mahnen haben.“ Lotter erwähnt dann weiter, daß er zum Betriebe ſeines Bergbaues 4000 Gulden von ſeiner Schweſter Tochtermann, einem Ratsherrn in Leipzig, habe erborgen müſſen und ihm nur zur Verſicherung fein Geyersbergiſch Zinn bergwerk mit Schmelzhütten, Pochwerken und ſtattlichen Gebäuden verpfänden wolle, und ſchließt darauf mit der unterthänigen Bitte: „Eure Kurfürſtlichen Gnaden wolle Ihren Konſens und Bewilligung in Schriften gnädigſt mitteilen laſſen und mein gnädigſter Kurfürſt ſein und bleiben. Das will ich als Euer alter dreißig jähriger Diener nach Vermögen mit meinen gehorſamſten und unterthänigſten Dienſten jederzeit willig und mit Fleiß verdienen. Datum, Leipzig u. ſ. w.“ Erſt nach drei Jahren kam mit Bauer ein Vergleich zuſtande. Es war am 8. Dezember 1579, als hierzu die kurfürſtlichen Kommiſſarien in Geyer erſchienen.
Der kranke Lotter ließ ſich durch ſeinen Sohn Ludwig vertreten. Man kam dahin überein: Von dem Kaufgelde des Leipziger Hauſes, von welchem Bauer bereits 2000 Gulden ausgezahlt erhalten hatte, ſolle er die noch übrigen deponierten 2000 Gulden erhalten, wegen ſeiner noch rückſtändigen Forderung aber ſolle ihm Hypothek auf das Rittergut gegeben und allmählich Abzahlung durch Lotters Suſtentationsgelder — wöchentlich 6 Gulden oder jährlich 316 Gulden betragend — von deſſen Tode an geleiſtet werden. Lotter hatte ſich nämlich endlich auch ſeines ihm in doppeltem Sinne ſo teuren Zinnbergwerks entäußern und dasſelbe ſeinem Leipziger Gläubiger zur Benutzung bis auf Abtrag der Schuld überlaſſen müſſen, wobei er ſich zu ſeinem Lebensunterhalte jene 6 Gulden wöchentlich vor-, behalten hatte, die nach ſeinem Tode auf ſeine Söhne, nun aber auf Bauer über gehen ſollten.
So weit war es alſo mit Lotter gekommen, daß er als 82jähriger Greis
nur noch eine verſchuldete Wohnung und ein kleines Verpflegungsgeld hatte.
Er bedurfte deſſen nicht lange. Am 24. Juli 1580 legte er ſein müdes Haupt
zur Ruhe. In der St. Lorenzkirche zu Geyer hat der große Lotter ſeine letzte
Ruheſtätte gefunden.