Das Vogtland iſt reich an Sagen, namentlich aber an ſolchen, in denen ver zauberte Schätze eine Rolle ſpielen. Einige ſeien hier angeführt.
Als Orte, an denen Maſſen von wertvollen Dingen aufgeſtapelt liegen ſollen, hat man von jeher die Punkte bezeichnet, wo ehedem feſte Burgen und Schlöſſer geſtanden haben; denn es liegt die Vermutung nahe, daß von all den Koſtbar
keiten, die einſtmals in den vornehmen Wohnungen zu finden waren, manches Prachtſtück unter den Überreſten der Mauern mit vergraben ſein kann.
Dort, wo jetzt der Hohe Stein bei Markneukirchen ſeine ſpitzen Fels zacken gleichſam als Markſteine zwiſchen Sachſen und Böhmen emporſtreckt, ſtand vor vielen hundert Jahren ein Schloß, das aber durch den Fluch eines Sängers, der die Tochter des Schloßherrn liebte und ſie nicht bekommen ſollte, in Schutt und Staub zerfiel. Wenn auch das gewöhnliche Menſchenauge kein Zeichen von der ehemaligen Herrlichkeit erblickt, ſo iſt ſie doch nicht ganz entſchwunden; denn tief im Felſen befinden ſich, wie die Sage erzählt, noch feſte Gewölbe; dieſe ſind mit unermeßlichen Schätzen angefüllt, die dem zur Hebung vorbehalten bleiben, der zur glücklichen Stunde den über dem Mammon liegenden Zauber zu löſen vermag. Wie wunderſelten ſich aber dazu Gelegenheit bietet, geht daraus hervor, daß ſich nur in jedem Jahrhundert einmal, und zwar in der Nacht vor dem Johannestage, das Gewölbe öffnet. Und ſelbſt dann iſt es nicht jedem Sterblichen, ſondern nur den Sonntagskindern vergönnt, die Schätze zu erblicken. Auch dieſen durfte nicht anzuraten ſein, ohne weiteres die alten ſchaurigen Räume zu betreten, da die Öffnung ſich ſofort ſchließt, ſobald ein Nichterkorener durch ſie eintritt. Dieſer müßte dann im ewigen Dunkel als Wächter des Zaubergutes ſitzen bleiben und könnte vielleicht niemals wieder das Tageslicht erblicken. Zur Hebung des Goldes iſt die Kenntnis einer gewiſſen Formel unerläßlich. Wer ſie inne hat, dem bleibt das Felſenthor in der Stunde von 12 bis 1 Uhr geöffnet, und er kann die wohlgefüllten Kaſten und Kiſten ruhig herausnehmen. Ein Geiſt, der verzauberte Schloßherr, wird ihm gern bei dem Herausſchaffen behilflich ſein; denn wenn die mancherlei Reichtümer in den Beſitz des dazu geeigneten Menſchen kindes übergegangen ſind, wird er von ſeiner Ruheloſigkeit erlöſt und kann zum ewigen Frieden eingehen. —
Gar nicht weit vom Hohen Steine, unweit des Dorfes Landwüſt, ſteht eine Säule, Stundenſ äule genannt. Unter dieſer befindet ſich, wie alte Leute erzählen, ein rieſiger eiſerner Kaſten, der ganz mit Goldſtücken angefüllt iſt, aber von einem Geiſte bewacht wird. Dieſer letztere ſitzt feſt auf der Truhe und weicht nur dann, wenn das rechte Zauberwort geſprochen wird. Wer den Schatz heben will, muß zunächſt dieſes Wort kennen, dann darf er aber auch weder auf dem Wege bis zur Säule, noch während des Grabens, noch auf dem Rückwege außer der Formel ein Wörtlein ſprechen oder ſich umſehen; denn ſobald er das thut, verfällt er dem Tode. Es iſt aber nicht leicht, fortwährend zu ſchweigen; denn die Geiſterwelt wird alles mögliche thun, um den Goldſucher zum Sprechen und Umſchauen zu verführen. Sein Name wird oft gerufen, und allerlei Spuk wird in den Lüften und Geäſten gehört werden; darum gilt es, feſtzubleiben. Schon mancher Zauberkünſtler hat ſein Heil verſucht, um den Kaſten aus feiner Ver borgenheit hervorzuziehen, ja, oft war die Stundenſäule förmlich unterwühlt; aber weil das rechte Wort nicht geſprochen wurde, ſo ſank der Schatz immer tiefer in die Erde und wird für jedes Jahr ſchwerer erlangbar.
Mit dieſem Golde hat es eine eigentümliche Bewandtnis. Vor uralter Zeit, als noch die Heerſtraße von Adorf über Remtengrün, Schönlind und Landwüſt
nach Eger hinführte, kam einmal in der Nacht ein Reiter in das Dorf Landwüſt geſprengt und begehrte einen Bauer als Führer. Sein Mantel bauſchte ganz gewaltig; denn er hatte einen großen Sack mit lauter blanken Goldſtücken, die er durch Raub und Plünderung während des damals herrſchenden Schwedenkrieges an ſich gebracht hatte, darunter verborgen. Es fand ſich ein Bauer, der ihm den Weg zeigen wollte, und beide verließen das Dorf bei dichter Finſternis. Als fie an den Ort gekommen waren, wo die Säule ſtand, verbarg der Reiter ſein Gold in einem Kaſten und befahl dem Bauer, dieſen in die Erde zu vergraben, weil Pulver und Blei darin verſchloſſen wären. Der Mann grub aus Leibeskräften, verſenkte die Truhe und deckte ſie wieder ſorgfältig mit Schutt zu. Für ſeine Mühe erhielt er zehn Dukaten; dafür bedankte er ſich höflich bei dem Offizier – denn ein ſolcher war der Reitersmann. Kaum aber war der Bauer einige Schritte von der Säule entfernt, ſo kam ihm der Reiter nach und erſtach ihn, damit das Geheimnis von dem Kaſten niemandem bekannt würde. Der Offizier wurde im nahen Walde von ſeinen Kameraden, mit denen er das Geld teilen ſollte, erwartet. Weil er mit leerem Beutel kam, hängten ihn dieſe an dem erſten beſten Baume auf und ritten davon.
Am nächſten Tage fand eine Schar ſchwediſcher Reiter, die den Wald und andere zu Verſtecken geeignete Plätze nach Spionen und Vagabunden durchſuchte, nicht allein den gehenkten Schwedenoffizier, ſondern auch den ermordeten Bauer. Weil letzterer aber zehn Dukaten in der Taſche hatte, die er vordem nicht beſeſſen haben konnte, ſo ſagten die Leute, er ſei ein Schatzgräber geweſen, habe auch einen Griff in den Goldbehälter gethan, ſei aber, da er jedenfalls während der Arbeit geſprochen oder ſich umgeſehen habe, von einem Geiſte getötet worden. –
An dem Wege von Arnsgrün nach Bärenloh iſt ein kreisrunder Graben, der ehedem ausgemauert geweſen ſein mag, zu bemerken. Die Geſchichte erzählt, daß dort das alte Schloß Schönfeld, das im vogtländiſchen Kriege 1354 bis 1357 zerſtört worden iſt, geſtanden hat; die Sage aber will wiſſen, daß unter jenem Walle ſich noch weite Räume befinden, in denen viel des edlen Goldes auf gehäuft liegt. Die Ritter, die vormals das Schloß bewohnten, bewachen den Schatz, auf daß nicht ein Unberufener ihn raube. Nicht ewig aber ſoll er für die Menſchen verſchloſſen ſein, ſondern einſt durch einen Mann, der den paſſenden Schlüſſel dazu beſitzt und die vorgeſchriebenen Formeln und Wörter kennt, ge hoben werden.
Einem Bewohner von Adorf, Namens Hums, der um Mitternacht von Roß- bach kam und in der Nähe des alten Schloſſes vorüberging, war ſchon einmal Gelegenheit gegeben, ſich in den Beſitz der Koſtbarkeiten zu ſetzen; denn ein Ritter, der in einen altertümlichen Mantel gehüllt war und ein Schwert an der Seite trug, bot ihm einen goldenen Schlüſſel an, mittels deſſen er die verzauberten Schätze hätte erſchließen können. Der furchtſame Mann verſcherzte jedoch ſein Glück; denn er lief, ſo ſchnell er konnte, nach Hauſe, um dem geſpenſtigen Ritter zu entkommen. Drei Tage ſpäter ſtarb er, und es fragt ſich nun, wer jemals wieder von den alten Schloßeigentümern für würdig beſunden werden wird, der Erbe ihrer Güter zu ſein. —
An der Landſtraße zwiſchen Adorf und Ölsnitz, am Ende des ſchönen Telterweinthales, bemerkt man einen Felſenvorſprung, der jetzt mit jungem Nadel holz bedeckt und allgemein unter dem Namen das „Alte Haus“ bekannt iſt. Aus der Geſchichte des Vogtlandes wiſſen wir, daß dort ehedem eine Ritterburg geſtanden hat, von der noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts Trümmer zu ſehen waren, jetzt aber keine Spur mehr vorhanden iſt. Das Volk behauptet, daß dieſe Burg den Raubrittern als Wohnung gedient habe, und daß von dort aus die Kaufleute angefallen und ihrer Waren beraubt worden ſeien; es iſt das nicht beſtimmt zu beweiſen, aber die ganze Lage des Gebäudes läßt darauf ſchließen, daß es nicht ohne Bedeutung geweſen ſein kann. Die Straße von Plauen nach Eger, die im Mittelalter ſehr belebt war, führte dort vorüber; der im Telter weinthale ſich hinziehende Weg, der nach Roßbach und Hof ging, mündete ganz nahe bei dem Schloſſe in die Heerſtraße, und überdies geſtattete der erhöhte Punkt eine Ausſicht auf zwei Thäler, das Telterwein- und das Elſterthal.
Daß dort, wo dieſes Schloß geſtanden hat, mancherlei Reichtümer verborgen liegen, wird von vielen Leuten noch heute geglaubt. Man erzählt ſich ja, daß der Kirchner Juſt aus Adorf, der alltäglich einen Spaziergang nach dem Alten Hauſe zu unternahm, viele Tage hintereinander jedesmal einen alten Groſchen gefunden habe. Er ſagte nichts davon, ſondern ſammelte die Münzen. Als er wieder einmal an den Fundort kam, bemerkte er keinen Groſchen; aber es lag ein Becher dort, den er nun mitnahm und der Kirche ſchenkte. Daß dieſer jetzt noch vorhanden ſein ſoll, iſt nicht richtig.
Ein Bauer aus Freiberg (Wollner ſoll er geheißen haben) hätte noch weit wertvollere Dinge im Alten Hauſe finden können, wenn er recht ſtark geweſen wäre. Zu dem genannten Bauern kam zwei Nächte hintereinander ein graues Männlein, das einen großen Hut mit breiten Krempen auf dem Kopfe hatte und ihn aufforderte, mitzugehen. Der Bauer war gottesfürchtig und hielt die Er ſcheinung für den lebendigen Gottſeibeiuns. Deshalb befragte er ſich erſt bei ſeinem Beichtvater, ob er der Aufforderung Folge leiſten ſolle. Dieſer konnte ihm weder zu- noch abreden, ſondern gab ihm nur den Rat, das Beten nicht zu ver geſſen. Als nun am dritten Tage das graue Männchen ſich wieder vor dem Bette Wollners einfand, ſagte dieſer das Sprüchlein: „Alle guten Geiſter loben Gott den Herrn!“ worauf die Erſcheinung antwortete: „Ich auch!“ Nunmehr kleidete ſich der Bauer an und folgte ſeinem merkwürdigen Gaſte, der einen ſolchen Lichtglanz um ſich verbreitete, daß trotz der herrſchenden großen Finſternis der Steig über die Wieſen nach dem Alten Hauſe ganz leicht zu ſehen war. Bald waren beide am Felſen angekommen. Dort öffnete die graue Geſtalt eine geheime Thür, durch die ſie nun eintraten.
Lange Zeit wandelten ſie durch einen unterirdiſchen Gang, bis ſie in einen prachtvoll ausgeſtatteten, hell erleuchteten Saal kamen, in dem eine große Menge alter Ritter verſammelt war. Vor ihnen ſtanden große Weinkrüge, und daneben lagen die Würfel; aber die Ritter rührten ſich nicht und ſprachen auch kein Wort. Der Bauer und ſein Führer durchſchritten den Saal und gelangten endlich in ein hohes Gewölbe, in dem ſich bunte Truhen befanden, die mit purem Golde gefüllt
waren. Während der Nachtwanderung hatte das Männlein kein Wort geredet; jetzt öffnete es zum erſten Male den Mund, indem es Wollner aufforderte, von dem edlen Metall ſo viel zu nehmen, als er wünſche. Da das verzagte Men ſchenkind keine Anſtalt machte, der Aufforderung nachzukommen, ſo ergriff die Zaubergeſtalt ſelbſt eine volle, ſchwere Kiſte, trug ſie mit leichter Mühe fort und ließ ſich durch ihren Begleiter nur ein wenig helfen. Als der Bauer wieder ins Freie gekommen war, verſchwand plötzlich der Graurock, und der Mann wollte nun den Kaſten allein fortſchaffen; aber trotz des Aufwandes aller Kräfte gelang ihm das nicht. Er eilte heim, um ſich noch einen kräftigen Mann als Helfer zu holen; doch bei der Rückkehr ſaß ein hünenhafter Geſell auf der Kiſte, der ſie bewachte. Wollner forderte ihn im Namen Gottes auf, zu weichen, allein das geſchah nicht; vielmehr zog der Rieſe ein Buch hervor und verlangte von dem Landmanne, daß er ſeinen Namen darein ſchreibe. Da ſich Wollner deſſen wei gerte, ſo verſchwand der Kaſten mit ſeinem Wächter, und man hat von ihnen nie wieder etwas geſehen. —
Eine ähnliche Geſchichte wird von dem Steinbühel bei Oberhermsgrün erzählt. In dem genannten Dorfe hatte ein Bauernburſche zwei Nächte hinter einander eine ganz merkwürdige Erſcheinung. Ein graues Männlein kam zu ihm und forderte ihn auf, er möchte ihm folgen; denn es wolle ihm zu großem Reich tume verhelfen. Der Jüngling war aber zu furchtſam und leiſtete der Auf forderung nicht Folge. Da er glaubte, das Männlein würde zum dritten Male an ſein Bett kommen, ſo ſuchte er ihm auszuweichen, indem er ſich in der dritten Nacht in eine andere Kammer begab. Aber auch dahin kam die graue Geſtalt und wiederholte nur dringender die Bitte. Der Burſche verſteckte ſich unter die Bettdecke, um den Quälgeiſt los zu werden; doch dieſer wich nicht. Er erzählte ihm ſogar, daß in dem Innern des Steinbühels ein feſtes Gewölbe ſei, in dem ſich viel Geld befände, und daß dieſes Geld ihm, dem Burſchen, gehören würde, wenn er ſich zum Mitgehen bequemen wolle; er könne dadurch ein reicher Mann werden und zugleich eine edle That vollbringen, weil er einen Geiſt damit erlöſe. Trotz der Dringlichkeit des Männchens war der furchtſame Menſch nicht zu be wegen, das Bett zu verlaſſen. Am andern Morgen trieb ihn doch die Neugierde nach dem Berge hin; auch mag er wohl geglaubt haben, der Schatz ſei am Tage ſicherer zu heben. Aber er fand nur ein tiefes Loch und daneben einen Topf, in dem noch ein Silberkreuz lag. Nach den Berichten des Männchens von dem vielen Gelde war dies ein wahrer Hohn für den Jüngling. Dieſer glaubte zwar, daß ihm die Gelegenheit zur Hebung des Schatzes noch einmal geboten werden würde; doch das graue Männlein zeigte ſich nie wieder. —
Der Glaube an verzauberte Schätze iſt im Erzgebirge und im Vogtlande weit verbreitet, und man meint, die Gottheit gebe bei gewiſſen Gelegenheiten den blöden Menſchenkindern die Orte an, wo ſich ſolche vorfinden. Dort, wo der Regenbogen auf der Erde ſteht, oder wo ein herrenloſes Licht während der Nacht brennt, braucht man nur nachzugraben, um Maſſen edler Schätze aufzufinden. Freilich muß man es auch verſtehen; denn manchen hat die Geiſterwelt geneckt, ohne ihm die erwarteten Gelder in den Schoß zu ſchütten.
In Adorf gab es eine Frau, die während ihrer ganzen Lebenszeit beſtimmt
glaubte, daß ſie durch die Hebung eines verzauberten Schatzes einmal reich werden
würde. Auf einem Felde in der Nähe des Bahnhofes ſah ſie öfter in der Nacht
ein Licht brennen, und ſie hegte die feſte Überzeugung, daß dies für ſie eine beſſere
Zukunft andeute. Stundenlang grub ſie in jenem Felde, um ſich in den Beſitz der
verzauberten Güter zu ſetzen; allein ihre Mühe war vergeblich. Erſt ſpäter er
fuhr ſie, daß einige junge Burſchen das Licht auf das Feld geſtellt hatten, um ſie
in ihrem Glauben zu beſtärken.