Köſtliche Perlen holt man nicht nur aus dem Grunde des Meeres, ſondern auch aus manchen Flüſſen. Sie liegen jedoch nicht ſo maſſenhaft darin wie die Steine, ſondern finden ſich nur ſelten in der Flußperlmuſchel, die beſonders in der Weißen Elſter und in deren Zuflüſſen noch vielfach anzutreffen iſt. Wenn man eine ſolche Muſchel auf dem Grunde des Waſſers erblickt, kann man ſie leicht für einen Stein halten; denn ſie hat äußerlich die graue Farbe des Thonſchiefers, liegt wie leblos da und wechſelt niemals ihren Platz. Die zwei Muſchelſchalen, die meiſt feſt geſchloſſen ſind, dienen der Perlmuſchel, einem bekannten Weichtiere, zur Wohnung und bieten ihr zugleich Schutz gegen ihre Feinde.
Früher war das Herausnehmen der Muſcheln jedermann geſtattet; im Jahre 1621 aber nahm der Staat die Perlenfiſcherei für ſich in Anſpruch und be auftragte den Ölsnitzer Fiſcher Schmerler damit, alljährlich eine Strecke der Weißen Elſter nach Perlmuſcheln abzuſuchen und die gefundenen Perlen an den Staat einzuliefern. In der Familie Schmerler hat bis heute das Recht der ſtaatlichen Perlenfiſcherei fortgeerbt. Wenn im Sommer die Elſter wenig Waſſer hat, dann geht der Perlenfiſcher an die Arbeit und ſucht unter den zahlreichen Muſcheln beſonders die aus, die ein wenig verkrüppelt ſind; denn ſie enthalten gewöhnlich die ſchönſten Perlen. Mit einem ſcharfen Eiſen öffnet er die Schale und ſieht nach, ob ſich eine Perle vorfindet. Iſt ſie ausgebildet, dann nimmt er ſie heraus; iſt ſie aber noch nicht groß genug, dann ſchreibt er die Jahreszahl außen auf die Muſchel und legt ſie wieder an den alten Platz.
In manchen Jahren iſt der Ertrag der Perlenfiſcherei ſehr reichlich geweſen. So wurden z. B. 11286 Perlen in dem Zeitraume von 1719 bis 1804 eingeliefert. Im Jahre 1805 ſuchte man die ſchönſten davon zu einer
Halskette aus, die heute noch im Grünen Gewölbe in Dresden zu ſehen iſt und einen Wert von 9000 Mark hat. Die übrigen Perlen verkaufte man damals für 21000 Mark nach Wien. Während der Jahre 1805 bis 1825 waren 2558 Perlen gefunden worden, die für 6468 Mark verkauft werden konnten. Von 1826 bis 1836 lieferte Schmerler 1549 Stück Perlen ab, die einen Erlös von 2679 Mark ergaben. Später war der Ertrag ſelten ſo groß. Belangreich war die Ernte im Jahre 1874; 203 Perlen, darunter 15 ſehr feine, wurden gefunden, für die der Staat 1072 Mark einnahm. Im Jahre 1891 wurden 123 Stück, darunter 13 ſchöne weiße, abgeliefert, während in den vorhergegangenen Jahren das Ergebnis weniger befriedigt hatte. Von dieſen Perlen ſind nur die milchweißen oder hellen ziemlich wertvoll, während die halbhellen und die Sand perlen meiſt zu einem ſehr niedrigen Preiſe abgehen. Oft iſt die Perle auch ſo an die Mufchel angewachſen, daß ſie nicht heransgenommen werden kann.
Die Perlen ſollen dadurch entſtehen, daß ein kleines Sandkorn aus dem Waſſer in die Muſchelſchalen eindringt und deren Bewohner in ihrem Wohl befinden ſtört. Um den Gegenſtand unſchädlich zu machen, überzieht ihn das Weichtier in ſeinem feſten Hauſe mit einem Schleim, der ſich nach und nach verdichtet und endlich das gleiche Ausſehen erlangt wie die innere Seite der Muſchelſchalen; darum nennt man die Perlen auch gehärtete Thränen. Man hat verſchiedene Male verſucht, ein Sandkorn in die Muſchel einzuführen und dadurch eine Perle zu erzielen; aber der Verſuch iſt ohne Erfolg geblieben. Der Ertrag der Perlenfiſcherei iſt ſeit einiger Zeit in ſtetem Rückgange. Jedenfalls hat die Verunreinigung des Elſterwaſſers durch die vielen Fabriken, die an der oberen Elſter liegen, das Gedeihen und die Vermehrnng der Perlmuſcheln verhindert. Es ſind zwar noch viele unreife Perlen vorgefunden worden; aber dieſe brauchen noch lange Zeit, ehe ſie ſich vollſtändig ausgebildet haben, und ſo wird voraus ſichtlich in den nächſten Jahren die Einnahme nicht nennenswert ſein.
Die harten Gehäuſe blieben früher unbeachtet an den Ufern der Bäche und Flüſſe liegen; höchſtens wurden ſie wegen des herrlichen Glanzes an der Innen ſeite von den Kindern als Spielzeug benutzt. Da kam im Jahre 1859 der Buch binder Friedrich Auguſt Schmidt in Adorf, der ſpäter zum königlichen Hof lieferanten ernannt wurde und im Jahre 1885 geſtorben iſt, auf den Gedanken, die Schalen der Muſchel zur Herſtellung von Geldtäſchchen zu benutzen. Es ge lang ihm, die rauhen Außenſeiten durch Salzſäure von ihrem ſchmutziggrauen Überzuge zu befreien, ſie an einem Schleifſteine abzureiben und dann durch einen mit Öl getränkten Filzlappen zu glätten oder zu polieren. Dadurch erlangten ſie das herrliche, ſchillernde Ausſehen, wie es an der Innenſeite ohne Anwendung künſtlicher Mittel bereits vorhanden iſt. Die Muſcheln wurden an der aus gebauchten Rückſeite mit einem Scharnier, oben mit einem Schloſſe, inwendig aber mit Leder, Seiden- oder Baumwollſtoff, ja, ſogar vielfach nur mit buntem Papier verſehen und konnten nun als Geldtäſchchen auf den Markt gebracht werden. Sie wurden beſonders gern von den Badegäſten in Elſter gekauft.
Aus größeren Schalen fertigte Schmidt auch Täſchchen, wie ſie die Damen in der Hand zu tragen pflegen. Dadurch legte er den Grund zu der Adorfer
Perlmutterwareninduſtrie, die jetzt nahezu 1000 Menſchen beſchäftigt. Im Winter, wenn auf den Feldern oder auf den Bauplätzen die Arbeit ruht, be ſorgen die Leute in Adorf und Umgegend das Schleifen und Polieren der Muſcheln, die dann im Sommer in den Fabriken verarbeitet werden.
Nach und nach hat ſich dieſe Induſtrie ſehr vervollkommnet. Urſprüng lich verwendete man nur ganze Muſchelgehäuſe zu Täſchchen, Aſchenbechern, Schmuckſchalen u. ſ. w.; ſpäter aber wurden ſie mit feinen Laubſägen in Stücke geſchnitten, die zu allerlei Schmuckſachen, wie zu Broſchen, Ohrgehängen, Hals ketten, Medaillons, Nadeln, Knöpfen und dergl. umgeſtaltet werden. Die in der Elſter gefundenen Muſcheln reichten nur kurze Zeit zur Deckung des Bedarfs aus; bald verſchrieb man ſich ſolche aus Bayern und Böhmen; ſpäter mußte das Meer mit ſeinen reichen Schätzen aushelfen. Heute werden ſogar mehr See- als Süß- waſſermuſcheln verarbeitet.
Beſonders reichhaltig geſtalten ſich die Muſterlager der Perlmutterwaren fabriken durch die Einlegearbeiten. Die Muſcheln werden in kleine, quadratförmige Stückchen geſchnitten und dann auf einer Fläche nebeneinander befeſtigt. Dieſe erhält dadurch einen ſo vielfarbigen, prächtigen Glanz, daß man ſeine Freude darüber haben muß. Auf ſolche Weiſe werden Photographiealbums, Schmuck- und Hand ſchuhkäſten, Bürſten, Spiegel, Bilderrahmen, Geldtäſchchen, Doſen u. ſ. w. mit Einlagen von Perlmutter geſchmückt.
Gleichwie das Elfenbein zu feinen Bildſchnitzereien und allerlei Kunſt arbeiten verwendet wird, ſo hat man in jüngſter Zeit auch auf der Perlmutter durch feine Stahlgriffel ſowohl erhabene als auch vertiefte Bilder angebracht. Dadurch iſt dieſer Erwerbszweig zu einer Kunſtinduſtrie ausgebildet worden, deren Erzeugniſſe auf verſchiedenen Kunſtausſtellungen mit ehrenden Auszeich nungen bedacht wurden. Ganze Wagenladungen von Seemuſcheln kommen jetzt nach Adorf, um von dort aus als herrliche Perlmutterarbeiten in alle Welt gegenden wieder verſandt zu werden.
Die mancherlei Dinge aus Perlmutter, die man in den Seebädern kauft, ſtammen meiſt aus Adorf, und es kommt oft vor, daß jemand ein ſchönes An denken aus Oſtende, Venedig, Neapel oder Konſtantinopel mitbringt, das erſt von Adorf aus dorthin gelangt iſt. Auch bei dieſer Induſtrie hat ſich das Sprich wort bewährt: Kleines iſt oſt die Wiege des Großen.