Kapitel 73. Sagen von Wald- und Moosleutchen und dem Waſſermann aus dem oberen Vogtlande.

Während die meiſten Sagen des Erzgebirges ſich mit den Berggeiſtern, Kobolden und Dämonen beſchäftigen, die es darauf abgeſehen hatten, den Berg­ mann bei ſeiner Arbeit zu necken und ihm allerlei Schabernack zu ſpielen, be­ faſſen ſich viele vogtländiſche Sagen mit Waldgeiſtern, Waldmännchen und Waldweibeln, die ſich in den Wäldern gezeigt, manchmal Unfug getrieben, meiſt aber Gutes geſtiftet haben ſollen. Was die Geſtalt anlangt, ſo ſollen die­ ſelben meiſt drei- bis vierjährigen Kindern ähnlich ſein. Ihr Geſicht iſt grau und faltig, und wegen der Trockenheit ihrer Haut hat man ſie manchmal auch Leder­ männchen genannt. In Preuskers „Blicke in die vaterländiſche Vorzeit“ wird behauptet, daß die Holzmännchen und Holzweibel einem Zwerggeſchlechte angehört hätten, das von den übrigen Volksſtämmen abgeſchloſſen war und in einſamen Waldgegenden lebte; die graue Farbe ihrer Haut rühre von ihrem hohen Alter her. Sie hielten ſich gern in ſolchen Häuſern auf, wo Frömmigkeit und Gottes­ furcht herrſchte, und brachten Segen mit; wo jedoch gezankt und geflucht ward, da war ihres Bleibens nicht. Auch dort, wo ſie geneckt wurden, mochten ſie ihre Wohnſtätte nicht aufſchlagen; ſie verkehrten aber freundlich mit den Menſchen, die ihnen Gutes thaten und ſich ihrer annahmen, ſobald ſie von Feinden verfolgt wurden. Ihre Nahrung beſtand aus Baumwurzeln und Kräutern, und ihre Wohnung befand ſich meiſt in hohlen Baumſtämmen oder in Höhlen, welche ſie ſich in die Erde gruben. Nicht ſelten machten ſie ſich den Menſchen nützlich, in dem ſie ihnen gute Ratſchläge erteilten, unter denen der:

„Schneid’s Brot gleich, So wirſt du reich“

der bekannteſte iſt. Auch ein anderer, ähnlicher Sinnſpruch ſoll auf die Holz­ weibel zurückzuführen ſein; er lautet:

„Erzähl’ keinen Traum, Schäl’ keinen Baum, Röſte kein Brot, So hilft dir Gott aus deiner Not.“

Kommen auch die Sagen von dieſen Waldzwergen in mancherlei Formen vor, ſo wiederholen ſich doch einzelne davon in verſchiedenen Gegenden. Oft wird erzählt, daß die Holzweibel die Hausmütter gebeten hätten, beim Brot­

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backen auch einen Laib für ſie mit zu verſorgen. Bei Gewährung des Wunſches wurde den mitleidigen Hausfrauen der Dank von den Holzweibchen oft in klingendem Golde bezahlt; denn meiſt fand man das den armen Zwergen geſpendete Brot ſpäter mit Goldmünzen gefüllt an dem Orte, an den man es hingelegt hatte, wieder vor.

Ein den Holzzwergen ähnliches ſagenhaftes Geſchlecht bildeten die Moos­ leutchen, die ſich nur dadurch von jenen unterſchieden, daß ſie anſtatt der grauen meiſt eine grünliche, dem Mooſe ähnliche Farbe zeigten. Ihre Wohnungen befanden ſich unter den Baumwurzeln, und ihre Nahrung beſtand aus Moos und Waldkräutern.

Jedenfalls haben wir es bei dieſen beiden Zwergarten mit einer über­ lieferung aus dem Heidentume zu thun; denn es iſt bekannt, daß die noch an viele Götter glaubenden alten Germanen, ebenſo wie die alten Griechen, ihre Baum-, Fluß- und Berggötter verehrten und darum auch den Baumfrevel als eine ſchwere Sünde betrachteten. Schiller weiſt in ſeinem Gedichte „Die Götter Griechen­ lands“ wehmütig auf die ſchöne Zeit hin, da die Götter noch die Welt an der Freude leichtem Gängelband regierten, und kommt auch auf die Wald-, Fluß- und Berggeiſter zu ſprechen, deren Daſein er mit den Worten ſchildert:

„Dieſe Höhen füllten Oreaden, Eine Dryas lebt’ in jenem Baum, Aus den Urnen lieblicher Najaden Sprang der Ströme Silberſchaum.“

Nachdem die Heiden zum Chriſtentume bekehrt waren, konnten ſie unmöglich ihren alten Glauben ſofort aufgeben, ſondern ſie hielten an vielen Dingen mit einer gewiſſen Zähigkeit feſt. Wie jene alte Frau, die uns Viktor von Scheffel in ſeinem „Ekkehard“ ſchildert, trotz der Verfolgungswut der chriſtlichen Mönche und trotz der Qualen, die ihr von dem eifernden Volke angethan worden waren, doch nicht von ihren Pferdeopfern ließ, ſondern ihren alten Heidengöttern bis zum Tode zugethan blieb, ſo gab es auch in unſeren Gegenden gewiß genug Leute, die noch im geheimen ihren heidniſchen Kultus fortbetrieben und nur äußerlich der chriſtlichen Lehre angehörten. Jene alten Götzenhaine mögen oft noch lange nach der Einführung der Chriſtusreligion Zeugen geweſen ſein von heimlichen Opfern, die nachts den alten Göttern dargebracht wurden. Und als der heidniſche Kultus endlich gänzlich aufhörte, da wurden die geweihten Opferplätze ſtreng gemieden; denn eine gewiſſe heilige Scheu empfand das Volk immer noch vor den längſt­ vergeſſenen Berg- und Waldgeiſtern. Daher mag es kommen, daß ſie in mannig­ fachen Verwandlungen von Geſchlecht zu Geſchlecht fortlebten und endlich jene zwerghafte Geſtalt annahmen, die wir bei den Wald- und Moosleutchen geſehen haben, bis auch dieſe der immer weitergreifenden Kultur zum Opfer fielen und ſich in ein Schattenbild der Phantaſie oder in ein Nichts auflöſten.

Dieſe Andeutungen glaubte ich vorausſchicken zu müſſen, um daraus die Berechtigung abzuleiten, überhaupt über jene ſagenhaften Geſtalten reden zu dürfen; denn unſere Zeit will Greifbares haben und begnügt ſich nicht mit Phan­ taſiegemälden und abergläubiſchen Dingen. Sofern dieſe jedoch mit der Kultur­ geſchichte zuſammenhängen (und das wird man in dieſem Falle zugeben müſſen), haben ſie ein Anrecht auf die öffentliche Aufmerkſamkeit.

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Einzelne Sagen von den Holz- und Moosmännchen und -Weibchen, die im oberen Vogtlande ſich erhalten haben, ſeien hier mitgeteilt.

In Ölsnitz ging einmal eine arme Frau bei einem Buſche vorüber und ſeufzte ſtill vor ſich hin. Da rief eine Stimme hinter dem Strauche: „Was fehlt Euch?“ Die Frau blickte ſich erſchrocken um und gewahrte ein graues Männchen, das neben dem Buſche ſaß. Dieſem klagte ſie ihre Not und gab vor allen Dingen ihre Traurigkeit darüber zu erkennen, daß ſie nicht einmal Garn habe, um ſich ein Paar Strümpfe ſtricken zu können. Da händigte ihr die graue Geſtalt einen Garnknäuel ein und ſagte ihr, daß, ſolange ſie von dem Garne ſtricke, dies ohne Ende ſein werde, ſobald ſie jedoch einer andern Perſon davon geben wolle, es ſofort abreißen würde. Die Beſchenkte freute ſich des Wunderknäuels ſehr lange, und der Faden nahm kein Ende. Einmal ſtrickte eine andere Frau davon, und ſofort war kein Garn mehr vorhanden. —

Ein Knabe, der in der Gegend von Ölsnitz die Kühe weidete, ſah während des Frühſtücks zwei Holzweibchen. Dieſe baten ihn um ein Stück Brot, fragten aber vorher erſt, ob Kümmel darin ſei. Als der Knabe dies bejahte, beauftragten ſie ihn, daß er ſeiner Mutter ſagen ſolle, ſie möchte für ſie ein Brot ohne Kümmel backen. Der Knabe richtete den Auftrag aus und brachte an einem der nächſten Tage ein Brotlaib mit, in dem ſich kein Kümmel befand. Da die grauen Weib­ lein ſich nirgends zeigten, ſo legte er das Geſchenk für ſie auf einen Stein. Am andern Tage lag es noch dort, und da er wähnte, daß es verſchmäht worden ſei, ſo nahm er es wieder mit heim. Wie erſtaunt war er aber, als er das Brot mit Gold angefüllt fand! Die Familie wurde dadurch vermögend und gedachte der Wohlthäterinnen noch oft in größter Liebe. —

In einer Mühle in Markneukirchen erwieſen ſich die Holzweibchen als recht brauchbare Gehilfinnen in der Landwirtſchaft; denn ſie trugen Waſſer und Stroh herbei, ſtampften das Viehfutter und halfen bei der Fütterung mit. Die Mägde waren erfreut über dieſe mancherlei Dienſtleiſtungen der kleinen Leute und verabreichten ihnen dann und wann ein Stück Brot oder einen Labetrunk. Einſt kam aber eine neue Magd ins Haus, die bei der Arbeit fluchte und wetterte, daß den Holzweibchen Hören und Sehen darüber verging und ſie vorzogen, das Haus zu meiden. Von der Zeit an ſind ſie verſchwunden und niemals wiedergekehrt. —

Während die Waldweibchen beſonders zu den Landleuten Zutrauen haben, leben ſie doch in fortwährender Angſt vor ihren Feinden. Als ſolche ſind bekannt der wilde Jäger und der Teufel. Man erzählt ſich in Breitenfeld folgende Verfolgungsgeſchichte: Zu einem Bauer, der auf dem Felde mit Eggen beſchäftigt war, kam ein Holzweibel und bat ihn, es vor ſeinem Verfolger, dem wilden Jäger, zu ſchützen. Der Bauer hob ſeine Egge auf und verſteckte das kleine, graue Weſen darunter. Gleich darauf kam der wilde Jäger und fragte den Landmann, ob er das Holzweibel nicht geſehen habe. Der Gefragte machte eine Notlüge, indem er vorgab, nichts geſehen zu haben, und der Verfolger zog ruhig weiter. Die Ver­ borgene kroch nunmehr aus ihrem Verſtecke und füllte zum Danke für den em­ pfangenen Schutz dem Bauer die Taſchen mit Birkenlaub. Dieſes verwandelte ſich in lauter Goldſtücke, und der mitleidige Mann wurde groß und reich. —

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Von einem Waldweibchen, das im Schönecker Walde ſeinen Wohnſitz hatte, wird folgendes erzählt: Da droben im Schönecker Walde lebte vor Zeiten ein Holzhauer, ein braver, ſtämmiger Burſche, der aber trotz raſtloſer Thätigkeit kaum ſo viel verdienen konnte, um eine alte, kranke Mutter und ein paar kleinere Geſchwiſter zu ernähren. Es ging immer knapp her, und doch mußte hie und da noch ein Groſchen für ein rotes Band oder etwas dergleichen abfallen, womit der Burſche die Tochter des Nachbars beſchenkte. Die jungen Leute waren einander gut, aber ans Heiraten durften ſie noch lange nicht denken; denn es fehlte ihnen ein eigenes Hüttchen, und die Eltern hatten nicht Raum für einen neuen Haus­ ſtand. Da entſchloß ſich der Burſche ſchweren Herzens, ein paar Jahre hinaus in die Welt zu wandern und ſich irgendwo zu vermieten, bis er ſich das Nötige verdient haben würde. Als er bald darauf durch den grünen Wald zog und trübe Bilder der Zukunft in ſeiner Seele auftauchten, da ſprang plötzlich ein kleines, graues Mütterchen mit einem Korbe voll Reiſig ans dem Gebüſch. Wie gehetzt lief es auf ihn zu und bat flehentlich, er möge ſchnell in eine umgebrochene Fichte, die juſt über dem Wege lag, drei Kreuze ſchneiden; denn der wilde Jäger folge ihm auf dem Fuße, und der ſei ſein Feind und werde es töten. Das alles war das Werk eines Augenblicks. Kaum hatte der Burſche mit ſeinem Meſſer drei Kreuze in den Baumſtamm geſchnitten und war ſelbſt mit dem fremden Weibchen darunter gekrochen, als auch ſchon das wütende Heer ankam. An den drei Kreuzen aber hatte die Macht des wilden Jägers eine Schranke; er zog ſich fluchend und wetternd zurück, und das Holzweibchen war gerettet. Es gab ſeinem Helfer einen grünen Zweig aus ſeinem Körbchen, dankte gar geheimnisvoll und — war verſchwunden. Dem Burſchen war’s noch ganz wirbelig und drehend im Kopfe von all dem Spuk; aber ſo viel war ihm doch klar, daß das graue Mütter­ chen, wenn es ihm einmal etwas ſchenken wollte, ſich ſchon ein wenig mehr hätte angreifen können. Mißmutig wollte er den Zweig wegwerfen, beſann ſich aber doch noch und ſteckte ihn zum Andenken an das ſonderbare Ereignis auf ſeine Mütze. Als er nun friſch weiterſchritt, da ward ihm ſein Mützlein immer ſchwerer und ſchwerer, und als er es endlich abnahm, da war der Zweig gewachſen. Und was war’s überhaupt für ein Zweig geworden? Gelbe, glitzernde Blätter waren daran und wuchſen immer noch mehr, daß ihm ſchier Sehen und Denken und am Ende die Laſt, weiter zu wandern, verging. Er kehrte um, ohne eigentlich zu wiſſen, warum, und war vor Abend wieder daheim. Wie die alte Mutter ſich wundern mochte! Der Tochter des Nachbars aber war die ſchnelle Heimkehr des Burſchen eben recht; denn

„Wiederkommen bringt Freuden.“

Der wilde Jäger hatte wohl Urſache, das Weibchen zu verfolgen; denn es hatte aus ſeinem Garten von dem wunderbaren Goldbaume ſich ein Körbchen voll der beſten Zweige geholt. Von dieſen hatte der Burſche einen bekommen, und der trieb immer neue Blätter. Die Blätter ſchüttelte unſer Holzhauer und verkaufte ſie in den Städten, wo ſie noch heute von den ſchönen Damen als Schmuck ge­ tragen werden. Nun konnte er freilich des Nachbars Kind heiraten, und das Paar mag wohl ein hübſches Haus gebaut haben. Das Goldbäumchen aber iſt

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mit der Zeit eingegangen; vielleicht hat ſich’s das Holzweibchen wiedergeholt, vielleicht auch der wilde Jäger. –

Wie die kleinen Holzmännchen und -Weibchen das Fluchen nicht vertragen konnten, ſo waren ſie auch über manche andere Gewohnheiten der Menſchen ärgerlich. Im Volksmunde geht die Sage, daß dieſe Zwerge oftmals darüber geklagt hätten, wie es alle Tage ſchlimmer auf der Erde werde, da die Leute die Brote in den Ofen und die Klöße in den Topf zählten und die Holzmacher die ſchöne Gewohnheit, auf jeden Stock eines geſchlagenen Baumes drei Kreuze zu machen, nicht mehr ausübten. Dieſe grauen Leutchen durften nämlich nur von ungezählten Broten und Klößen eſſen und konnten nur in ſolchen Baumſtöcken wohnen, die mit drei Kreuzen verſehen waren, und zwar mußten dieſe von zwei Perſonen auf die Oberfläche des Stockes gemacht worden ſein, während der Stamm noch im Fallen begriffen war. —

Die Moosweibchen mögen in der Hauptſache mit dem Waldweibchen gleich­ bedeutend ſein; denn ſie haben, wie ſchon oben erwähnt wurde, dieſelben Wohnungen, dieſelben Gewohnheiten, dieſelben Feinde und dieſelbe Nahrung.

Grimm erzählt in ſeinen deutſchen Sagen manche hübſche Geſchichtchen über die Moosweibchen; in der Hauptſache laufen alle darauf hinaus, daß die kleinen Geſchöpfe drei Kreuze auf den von ihnen bewohnten Stöcken haben wollen, um vor ihrem Feinde, dem wilden Jäger, geſchützt zu ſein. —

In der Gegend von Planſchwitz bei Ölsnitz geht über die Moosweibchen folgende Sage:

Seitdem der Teufel vom Himmel geſtoßen wurde, jagt er die kleinen Moos­ weibchen umher. Die armen Weſen können ſich vor ihrem Verfolger nur dadurch ſchützen, daß ſie ſich unter einen Baumſtumpf, der mit den oben erwähnten drei Kreuzen verſehen iſt, flüchten. Vergißt der Holzhauer, dieſe Zeichen während des Fällens der Bäume zu machen, ſo kommen die Gejagten in die Wohnung des Arbeiters, ſetzen ſich auf die Ofenbank und geben durch freundliche Blicke und bittende Gebärden zu verſtehen, daß der Holzfäller künftig dieſe ſchöne Sitte nicht außer acht laſſen und ihnen auf dieſe Weiſe einen Zufluchtsort und zugleich eine Ruheſtätte im Walde ſichern möge. Kaum hörbar iſt ihr Schritt, und wenn ſie ſich durch die Thür wieder entfernen, ſo glaubt man nur das Säuſeln eines Lüftchens zu vernehmen.

Wenn auch das Geſchlecht der Moosleute nicht mehr zu beſtehen oder doch unſere Nähe zu meiden ſcheint, ſo gedenken wir ſeiner gleichwohl noch gern zur Weihnachtszeit, indem wir unter dem Chriſtbaum einen Moosmann ſtellen, der ein Licht in der Hand hält und die auf dem Tiſche ausgebreiteten Sachen be­ leuchtet. Wir wiſſen zwar, daß es uns nicht mehr mit ſeinen goldenen Zweigen und Blättern beglückt; aber dennoch halten wir an der alten vogtländiſchen Sitte feſt und würden es ungern ſehen, wenn nicht auch das Lichtlein des Moosmänn­ chens die Chriſtnacht erhellte.

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Daß auch die Fluſſe und ſonſtigen Gewäſſer bei den alten Heiden ihren Gott hatten, wurde ſchon erwähnt; es dürſte darum von Intereſſe ſein, darauf aufmerkſam zu machen, daß die Nixen der Quellen und der Waſſermann der Teiche und Flüſſe an jene Gottheiten erinnern. Unſer Elſterfluß hat auch ſeinen Waſſermann. Sein Alter iſt nicht anzugeben, doch ſoll er moosgrünes Haar und grüne Augen haben und von Geſtalt ſehr klein ſein. An der Jahn–Mühle bei Ölsnitz zeigt er ſich, wie die Leute erzählen, oft um die Mittagsſtunde, wenn er am Ufer ſitzt und ſein Haar kämmt. Einen ſo bezaubernden Geſang, wie die Sirenen und die Lorelei erſchallen ließen, vermag er freilich nicht hervorzubringen; auch wird der Kamm, deſſen er ſich bedient, nicht als ein goldener bezeichnet, und ſein ſtruppiges Haar iſt mit den goldenen Locken der Lorelei ebenfalls nicht zu vergleichen. Seine Geſänge würden auch keinen Zweck haben, da kein Schiffer ſich auf die Elſter verirrt und auch ſonſt niemand Luſt bezeigen möchte, ſich um der häßlichen Geſtalt willen in das Waſſer zu ſtürzen.

Während die griechiſche Götterlehre meiſt nur äußerlich prächtige, üppige und tadellos ſchöne Erſcheinungen kannte, die entweder Gutes oder Böſes ſtifteten, haben wir oben gezeigt, daß unſer Sagenreich auch häßliche Geſtalten aufweiſt: doch werden dieſe mehr geliebt als gefürchtet, weil ſie gutmütig, freundlich, wohl­ thätig und gefällig ſind und niemandem ein Leid zufügen. Ihre Frömmigkeit wird dadurch bekundet, daß ſie von dem Böſen und dem zu ewiger Unruhe ver­ dammten wilden Jäger verfolgt werden und drei Kreuze als ihr Schutzzeichen be­ trachten. Bewahren wir darum dieſen Sagengeſtalten ein freundliches Gedenken!

H.Arnold.