In der ſüdweſtlichen Ecke unſeres Sachſenlandes, hart an der böhmiſchen Grenze, liegt in einem lieblichen Thalkeſſel der ſchöne Badeort Elſter. Tauſende von Kranken und Erholungsbedürftigen reiſen alljährlich dahin, um durch die reine Luft und durch die kräftigen Heilquellen, die aus der Erde ſprudeln, Ge neſung und Stärkung zu finden. Obwohl die Heilkraft der Quellen ſchon ſeit dem 12. Jahrhundert bekannt war, hat doch das Bad erſt ſeit dem Jahre 1849, in dem es der ſächſiſche Staat übernommen hat, in weiteren Kreiſen Berühmtheit erlangt.
Die Beſtandteile, die das Waſſer ſo heilkräftig machen, ſind hauptſächlich Eiſen und Salz. Wer blutarm und ſchwach iſt, geht nach dem Elſierbade, um durch den täglichen Genuß des eiſenhaltigen Marienbrunnens gerötete Wangen und ein friſches Ausſehen zu erlangen; wer aber keinen geſunden Magen hat, ſchöpft an der Salzquelle den friſchen, heilſamen Trank. Am frühen Morgen ſchon ſieht man die Badegäſte mit ihren Gläſern oder Bechern auf den ſchöngepflegten Wegen unter üppig grünenden Bäumen umherwandeln. Bei Regen wetter ergehen ſie ſich in überdeckten Wandelbahnen, wobei ſie von Zeit zu Zeit einen Schluck ihres „Brunnens“ ſchlürfen. Haben ſie einen Becher geleert, ſo eilen ſie zur Quelle, um ihn von den friſchen, blühenden Brunnenmädchen, die ſich in ihrer vogtländiſchen Tracht ſehr hübſch ausnehmen, wieder füllen zu laſ en. Mancher Kranke trinkt täglich 5 bis 6 Becher, alſo über 1 Liter von dem Heil quell. Daneben aber badet er auch fleißig, um ſeine Haut zu rühriger Thätigkeit anzuregen und ſo den Blutumlauf zu befördern.
Bei Kranken, die von Gicht und Zipperlein geplagt ſind, haben ſich nament lich die Moorbäder als ſehr heilkräftig erwieſen. Die Moorerde, die aus ver witterten Pflanzenſtoffen beſteht und von dem eiſenhaltigen Waſſer durchdrungen iſt, ſieht zwar ganz ſchwarz aus und ladet durchaus nicht zum Bade ein; allein die Wirkung iſt ſo kräftig, daß Gelähnite oft ſchon nach dem Gebräuche weniger Bäder wieder allein gehen können. Dieſe ſchwarze Erde, die ſich in der Umgebung Elſters maſſenhaft vorfindet, wird im Bade mit Waſſer zu einem Brei eingerührt. Wer ein ſolches Moorbad genommen hat, muß ſich darnach durch ein Waſſerbad wieder reinigen. In jeder Moorbadezelle ſtehen deshalb zwei Badewannen.
Das Kurhaus in Bad Elſter.
Neben dem Trinken und Baden muß jedoch der Kurgaſt fleißig das Spazieren gehen pflegen. Das thut jeder gern; denn Elſter iſt durch die umliegenden Berge vor den rauhen Nord- und Oſtwinden geſchützt, und üppige, harzduſtende Nadel wälder breiten ſich nach allen Richtungen hin aus. Überall ſind ſchöne, mit Sand beſtreute Wege angelegt, und in kleinen Zwiſchenräumen ſind Ruhebänke aufgeſtellt, die zur Raſt einladen; auf beſonders ſchönen Punkten aber hat man Häuschen errichtet, die bei Regenwetter ein ſchützendes Obdach für die Spazier gänger bieten. Wer im Sommer die Wälder in der Nähe von Bad Elſter durch ſtreift, der begegnet auf Schritt und Tritt feingekleideten Damen und Herren, die ſich in der ungezwungenſten Weiſe tummeln und die reine Luft in vollen Zügen genießen.
Während die Badegäſte ihr Waſſer ſchlürfen, ſpielt die Badekapelle, die ſich von jeher eines guten Rufes erfreute, allerlei liebliche Weiſen; dann und wann werden auch Abendkonzerte und Bälle im ſchönen neuen Kurhauſe veranſtaltet. Da kann ſich jeder, deſſen Geſundheitsverhältniſſe es geſtatten, ver gnügt machen und ſich neben ſeiner Kur auch dem Genuſſe der Freude und der Geſelligkeit hingeben.
Wer den Badeort durchwandert, der wird ſich freuen über die vielen ſchmucken Häuſer, umgeben von ſchönen Gärten, die dem Fremden den Aufent halt recht angenehm geſtalten. Jedes Haus trägt einen Namen, und wenn man die Aufſchriften „Edelweiß, Veilchenſtrauß, Paradies, Daheim, Vergißmeinnicht“ lieſt, ſo fühlt man ſich ſofort angezogen und zum längeren Bleiben veranlaßt.
Die ſchönſten und größten Gebäude ſind das Kurhaus, ein wahrer Palaſt, der abends in feenhafter elektriſcher Beleuchtung erſtrahlt, das Badehaus mit den vielen Badehallen, das Kaffeehaus auf dem Kurplatze und die großen Gaſthäuſer, die im Sommer ſtets von Fremden gefüllt ſind.
In der letzten Zeit wurde Elſter während der Sommerszeit alljährlich von mehr als 7000 Badegäſten beſucht; dazu kommen aber noch viele tauſend Durch reiſende, die es nur im Vorübergehen beſehen, und viele aus der nächſten Um gebung, die das Leben und Treiben der feinen Welt betrachten oder ſich an der herrlichen Muſik ergötzen wollen.
Ein prächtiges Kunſtwerk, eine Stiftung des ſächſiſchen Kunſtvereins, ſteht auf dem Badeplatze. Es ſtellt die Göttin der Geſundheit dar, die der leidenden Menſchheit aus einer Schale den heilkräftigen Geneſungstrank ſpendet.
So findet ſich in Bad Elſter alles vereint, was nicht nur den Leib, ſondern auch Herz und Gemüt erfriſcht, und wir können es darum den Großſtädtern nicht verdenken, wenn ſie gern daſelbſt verweilen – und alljährlich in großen Scharen wiederkehren, eingedenk des Dichterwortes:
„Wohl dem, ſelig muß ich ihn preiſen, Der in der Stille der ländlichen Flur, Fern von des Lebens verworrenen Kreiſen Kindlich liegt an der Bruſt der Natur.“