Kapitel 65. Der Schneckenſtein im Vogtlande.

Der Schneckenſtein, welcher ſeinen Namen von den zahlreich an ſeinem Fuße in Höhlungen und Klüften ſitzenden kleinen Schnecken (gegenwärtig iſt der Fels und ſeine nächſte Umgebung freilich ſehr ſchneckenarm), nach anderer Deutung von Schöneck, das im Volke Sch’neck genannt wird, erhalten haben ſoll, erhebt ſich iſoliert auf einer kleinen Waldblöße als aufrechtſtehender Stock aus dem Glimmer­ ſchiefergebirge des oberen Vogtlandes, welches ſich als ein wenig breiter Streifen von Tannenbergsthal bis hinauf nach Sachſenberg erſtreckt. Durch eine ſenk­

Der Schneckenſtein im Vogtlande. Der Schneckenſtein im Vogtlande.

rechte, offene Spalte iſt der Fels in zwei Teile geteilt. Er hat einen Umfang von vielleicht 250 Schritten und erreicht eine Höhe von 17 Meter. Eingehauene Stufen erleichtern ſeine Beſteigung, und ein weiter Blick über den Wald hinweg ins Land erfreut dann das Auge. Im Laufe der Zeit hat der Fels vielfache Um­ geſtaltungen erlitten. Angehäufte Bruchſtücke, zerſchlagen von den Hämmern der Topasſucher, liegen ringsumher. Durch zahlreiche, jedenfalls urſprünglich mit Topaſen und Bergkryſtallen ausgekleidete Höhlungen erhält der Felſen auf ſeiner Oberfläche ein zerfreſſenes Anſehen.

Der als beſondere Gebirgsart anzuführende Topasfels iſt eine Breccie (Breecien ſind verkittete, eckige, ſcharfkantige Geſteine, ſtets am Fundorte gebildet und deshalb faſt ſtets maſſig, nicht geſchichtet) von Turmalinſchiefer, deſſen ein­

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zelne Stücke von Topas nebſt Kaolin (Porzellanerde) verkittet wurden. Der Tur­ malinſchiefer beſteht aus wechſelnden Lagen von körnigem Quarz und ſchwarzem Turmalin, wodurch das Geſtein ein beſonders in abgeſchliffenen Stücken recht ſcharf ausgeprägtes bandartiges Anſehen erhält. Quarz tritt als Hauptbeſtandteil desſelben auf.

In dieſer quarzreichen Turmalinſchieferbreecie finden ſich Höhlungen, die an den Wänden mit Quarzkryſtallen ausgekleidet ſind. In dieſen Höhlen oder Druſen liegen, teils frei, teils in Kaolin eingebettet, die Topaskryſtalle. Inbetreff der Durchſichtigkeit ſind alle Grade vertreten. Die Farbe derſelben iſt ein ſchönes Weingelb, doch finden ſich auch dunklere und ſolche von hellerem Gelb bis zum vollſtändigen Weiß. Sie kryſtalliſieren in achtſeitigen Prismen von vier breiten und vier ſchmalen Seiten. Pulveriſiert man einen Topaskryſtall und erhitzt ihn dann im dunkeln Zimmer über einer Spiritusflamme, ſo bemerkt man ein grünes, bei ſtärkerer Hitze in Blau übergehendes Licht.

Man teilte die Schneckenſteiner Topaſe ehemals ein in Ring-, Hemdenknopf-, Schnallenſteine, Karmoiſiergut (Steine, welche zur Einfaſſung eines größeren Edel­ ſteins verwendet werden) und unreines Gut. Die Preiſe, welche nach alten Mit­ teilungen von dem dazu verpflichteten Taxator Joh. Georg Heilmann in Freiberg feſtgeſtellt wurden, betrugen für ein Pfund Ringſteine 10 bis 15 Thaler, für ein Pfund Hemdenknopfſteine 8 bis 10, für ebenſoviel Schnallenſteine 5 bis 7, Kar­ moiſiergut 1½ bis 4 Thaler. Der größte in jenen Mitteilungen erwähnte Topas wog 1½ Quentchen. Im Grünen Gewölbe zu Dresden ſieht man Topaſe von 4 Zoll Länge und 2 Zoll Breite. Wer jetzt nach dem Schneckenſtein wandert in der Hoffnung, prächtige Kryſtalle zu finden, der wird ſich täuſchen. Zwar wird er Topaſe finden, aber kleine und unbedeutende. Wenn nicht von neuem größere Maſſen des Felſens losgeſprengt und auf dieſe Weiſe neue Anbrüche bloßgelegt werden, ſo iſt es ein ſeltener Fund, wenn der Beſucher einen ſchönen Kryſtall mit nach Hauſe bringt. Man wird ſich oft damit zufrieden geben müſſen, den Felſen, dieſe Seltenheit der Erde, geſehen zu haben.

Der erſte Topasſucher, der den Wert der Kryſtalle kannte, war, wie man erzählt, ein Tuchmacher aus Auerbach, Namens Kraut. Aus Furcht vor Strafe wegen des bekannt gewordenen, jahrelang getriebenen Schleichhandels und gegen eine Belohnung zeigte Kraut das Vorhandenſein der Topaſe am Schneckenſtein dem Kurfürſten Auguſt II. an, der den Felſen von den Beſitzern des Grund und Bodens, Herrn von Trützſchler auf Falkenſtein, kaufte und 1737 einer eigenen Gewerkſchaft überließ.

Die 124 Kuxe zahlende Gewerkſchaft beſtand außer Bürgern von Falken­ ſtein, Auerbach, Schneeberg, Plauen u. ſ. w. auch aus mehreren Edelleuten und kurfürſtlichen Beamten; von letzteren wird der bekannte Miniſter Graf Brühl genannt. Die Zeche war Tageszeche und nannte ſich „Königskrone“. Die guten Steine blieben bis zur Ablieferung „verſiegelt“ beim Schichtmeiſter; ſpäter wurden ſie beim Bergamte Voigtsberg niedergelegt.

Über die Ausbeute erfahren wir aus alten Mitteilungen: im Jahre 1752 wurden außer 28 Pfund 26½ Lot nicht ſortierten Topaſen an guten Ringſteinen

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1 Pfund 16 Lot 2½ Quent (zuſammen 237 Stück) und in den Jahren 1767 bis 1772 überhaupt 88 Pfund 8 Lot Topaſe gewonnen. Außer einem Steiger arbeiteten höchſtens 5 Häuer, zuweilen auch nur der Steiger und ein Häuer. Durch Pulver, Schlägel und Eiſen wurden die Topaſe bloßgelegt.

Im Jahre 1800 wurde der Schneckenſtein der Bergakademie Freiberg über­ geben, welche noch heute Eigentümerin desſelben iſt. Jetzt wird der Fels nicht mehr bearbeitet, da der Wert der in ihm eingeſchloſſenen Edelſteine, welche den oſtindiſchen, ſibiriſchen und braſilianiſchen nicht gleichſtehen, bedeutend geſunken iſt.

F.Phenn.