„In allen meinen Thaten Laß ich den Höchſten raten, Der alles kann und hat;
Er muß zu allen Dingen, Soll’s anders wohl gelingen, Selbſt geben Rat und That.“
Der Dichter dieſes bekannten, ſchönen Geſangbuchsliedes, Paul Flemming, iſt unſer Landsmann. Derſelbe wurde am 5. Oktober 1609 zu Hartenſtein im Erzgebirge geboren. Sein Vater war in dem Städtchen Schullehrer. Eine Tafel an einem nahe der Kirche gelegenen Hauſe in Hartenſtein ſagt uns heute noch, wo das alte Schulhaus ſtand, in welchem Flemmings Vater gewohnt und gewirkt hat, und wo der fromme Dichter geboren wurde.[13] Sein nicht un bedeutendes Vermögen verwandte der Vater vor allem dazu, ſeinem Sohne eine tüchtige Ausbildung zu geben. Nach dem Beſuche der Fürſtenſchule zu Meißen bezog Flemming, 19 Jahre alt, die Univerſität Leipzig, um Medizin zu ſtu dieren. Schon in Meißen hatte er ſich mit vielem Glücke im Dichten verſucht, und als Student in Leipzig dichtete er mit ſolchem Erfolge, daß er die Würde eines kaiſerlich gekrönten Poeten erhielt. Aus dieſer Zeit ſtammt vermutlich das Lied: „Ein getreues Herze wiſſen, hat des höchſten Schatzes Preis.“ Mit Recht hat man dieſes Gedicht, in welchem Flemming die Treue des Herzens und den ſüßen Troſt, der im Bewußtſein des Geliebtwerdens liegt, mit den innigſten Worten preiſt, als Traulied in unſer Landesgeſangbuch aufgenommen. Ein zweites bekanntes Gedicht aus dieſer Zeit zeugt von des Dichters Frömmigkeit und Gottergebenheit; es mag hier folgen:
„Laß dich nur nichts dauern Mit Trauern, Sei ſtille! Wie Gott es fügt, So ſei vergnügt, Mein Wille!
Was willſt du heute ſorgen Auf morgen! Der eine Steht allem für, Der giebt auch dir Das Deine.
Sei nur in allem Handel Ohne Wandel, Steh feſte, Was Gott beſchleußt, Das iſt und heißt Das Beſte.“
Die Unruhen und Schreckniſſe des dreißigjährigen Krieges trieben Flemming aus ſeinem Vaterlande. Er ging 1633 nach Holſtein und ſchloß ſich einer Geſandtſchaft an, die der Herzog von Holſtein-Gottorp nach Perſien zu dieſes Landes Erforſchung und zur Anknüpfung von Handelsverbindungen ausrüſtete. Vor Antritt dieſer weiten, gefahrvollen Reiſe dichtete Flemming ſein berühmtes Reiſelied nach des 6. Pſalms Weiſe: „In allen meinen Thaten laß ich den Höchſten raten.“ Ihn ſchreckten nicht die zu erwartenden Mühen und Gefahren, Gott war ja bei ihm, ſein Helfer.
„Er wird zu dieſen Reiſen Erwünſchten Fortgang weiſen, Wohl helfen hin und her; Geſundheit, Heil und Leben, Zeit, Wind und Wetter geben Und alles nach Begehr.“
Das Ziel der Reiſe mußte zunächſt Moskau ſein. Es galt, vom Zaren die Erlaubnis zu erhalten, nach Perſien durch Rußland und unter ruſſiſchem Schutze reiſen zu können. Die Geſandtſchaft kam Mitte Auguſt 1634 in Moskau an, wurde vom Zaren Michael Feodorowitſch freundlich aufgenommen, und die erbetene Beihilfe ward von ihm bereitwilligſt zugeſagt. Im Dezember trat die Geſandtſchaft die Rückreiſe nach Gottorp an; Flemming aber verblieb mit vielen ſeiner Freunde in Reval. Sein dichteriſcher Ruf war ihm ſchon vorausgeflogen; wen dieſer nicht bezwang, den nahm Flemmings perfönliche Liebenswürdigkeit ein. Vielleicht hat unſer Dichter hier die glücklichſte Zeit ſeines Lebens verbracht, manches ſinnige Gelegenheitsgedicht, manches fröhliche Lied von Lieb und Lebens luſt iſt in Reval entſtanden.
Erſt im Herbſte des Jahres 1636 konnte die Reiſe fortgeſetzt werden. Wieder zog die Geſandtſchaft, diesmal aber über 100 Perſonen zählend und in der prachtvollſten Ausrüſtung, in der alten Zarenſtadt ein. Von da ging es weiter nach Aſtrachan. Auch hier verlebte Flemming im Freundeskreiſe manch fröhliche Stunde, doch miſchten ſich in die Freude jetzt ſchon Ärger und Groll über den einen Geſandten, Brüggemann, der ſich fortwährend grober Vergehungen ſchuldig machte, Vergehungen, die er nach Beendigung der Reiſe mit dem Kopfe büßen mußte. Von Aſtrachan aus gelangte die Geſandtſchaft auf der Wolga in das Kaſpiſche Meer. Hier hatten die Reiſenden einen furchtbaren Sturm zu
beſtehen. Die das Schiff begleitende Schaluppe ging unter, und das Schiff ſelbſt
wurde an den Strand geworfen. Flemming und ſein Freund
Paul Flemming.
Was er gedacht und empfunden, ſei es im Toſen des Seeſturms, im Glutſande der Wüſte, im Kampfe auf Leben und Tod oder im Abendrote vor den goldenen Kuppeln Moskaus, auf den mond beglänzten Wellen der Wolga, unter den rauſchenden Pomeran zenwipfeln Cirkaſſiens, ſeine Dich tungen atmen es wieder und zaubern noch einmal das ganze Bild der Reiſe mit glühenden Farben vor unſerem Auge herauf.
Dabei vergaß Flemming nicht ſeines armen Vaterlandes, das, aus tauſend Wunden blutend, verwüſtet, zertreten am Boden lag, und oft wurde ſein Gedicht zum Gebete für des Vaterlandes Er rettung. Ein rechter Deutſcher, ſchämte er ſich der Verzagtheit ſeiner Brüder im deutſchen Vaterlande und ſagte es auch ſich zum Hohne, daß er nur ein Namens deutſcher ſei. Durch manches Lied zittert ein ſtilles Heimweh hindurch, und in der „Elegie an mein Vaterland“, die mitten im ſinnbethörenden, üppigen Leben des Orients entſtanden iſt, klagt er:
„Ach, daß ich mich einmal doch wieder ſollt’ erfriſchen An deiner reichen Luft, du edler Muldenfluß, Da du ſanfte gehſt in bergigen Gebüſchen, Da, wo mein Hartenſtein mir bot den erſten Kuß.“
Auch die Rückreiſe der Geſandtſchaft verlief nicht ohne Gefahr. Bald hatten die Reiſenden vom Hunger oder Durſt, bald unter Sonnenbrand oder Regen zu leiden; es lauerten ihnen die feindlich geſinnten Tataren auf, und in Aſtrachan entging die ganze Reiſegeſellſchaft nur mit Mühe der Gefahr, durch Brüggemanns
Verſchulden nach Sibirien geſchickt zu werden. In Reval erneuerte Flemming die Bekanntſchaften, die er früher dort angeknüpft hatte, und verlobte ſich mit der Tochter eines angeſehenen Kaufmanns, mit Anna Niehuſen. Sein Beſtreben ging von nun an dahin, ſich ein feſtes Heim zu gründen und ſeine Braut heim zuführen. Er erwarb ſich deshalb die mediziniſche Doktorwürde auf der Univer ſität Leyden, der damals berühmteſten Hochſchule Europas, und ließ ſich dann als Arzt in Hamburg nieder.
Aber es war dem Armen nicht vergönnt, „Gott zu preiſen mit manchen ſchönen Weiſen daheim in ſeiner Ruh.“ Kaum nach Hamburg zurückgekehrt, befiel ihn, wahrſcheinlich infolge der Anſtrengungen der Reiſe, eine jähe Krank heit, der er am 2. April 1640, im 31. Jahre ſeines Lebens, erlag. Wenige Tage vorher dichtete Flemming ſeine Grabſchrift, in der er mit folgenden Worten Abſchied vom Leben nimmt:
„Ich war an Kunſt und Gut und Stande groß und reich, Des Glückes lieber Sohn, von Eltern guter Ehren, Frei, meine, konnte mich aus meinen Mitteln nähren, Mein Schall floh überweit: kein Landsmann ſang mir gleich. Von Reiſen hochgepreiſt, für keine Mühe bleich, Jung, wachſam, unbeſorgt. Man wird mich nennen hören, Bis daß die letzte Glut dies alles wird zerſtören. Dies, deutſche Klarien, dies Ganze dank’ ich euch. Verzeiht mir’s, bin ich‘s wert, Gott, Vater, Liebſte, Freunde! Ich ſag euch gute Nacht und trete willig ab: Sonſt alles iſt gethan bis an das ſchwarze Grab. Was frei dem Tode ſteht, das thu‘ er ſeinem Feinde. Was bin ich viel beſorgt, den Odem aufzugeben? An mir iſt minder nichts, das lebet, als mein Leben.“