Kapitel 57. Der Steinkohlenbergbau bei Zwickau.

Die reichſte Erwerbsquelle für Zwickau und ſeine Umgebung iſt der Kohlen­ bergbau. Ohne Zweifel iſt er einer der älteſten in ganz Deutſchland. Der Sage nach ſoll er ſchon im 10. Jahrhunderte von den Sorben-Wenden hier be­ trieben worden ſein. Ganz gewiß aber iſt, daß man bereits im 14. Jahr­ hunderte auf Planitzer Flur ſogenannte Raſen- oder Tagekohlen gefunden hat. Zu dieſer Zeit wurden bereits in den Schmieden ſolche Tagekohlen gebrannt. Der Rat zu Zwickau verbot zwar die Verwendung der Kohle zum Heizen, damit der Verbrauch des Feuerholzes aus den großen ſtädtiſchen Waldungen nicht ge­ ſchmälert würde, dieſes Verbot verhinderte jedoch die Weiterentwickelung des Kohlenbaues nicht; im 16. Jahrhunderte gab es ſchon eine ſtattliche Zahl von Kohlenbauern, und 1520 trat ſchon die erſte Kohlenordnung in Kraft, die namentlich die Kohlenpreiſe zu regeln beſtimmt war.

Die Kohlen wurden in jener Zeit noch wenig begehrt, da man zum Heizen hinreichende und billige Holzvorräte beſaß. Es wird berichtet, daß die genannte Kohlenordnung beſtimmte, es dürfe ein großer Wagen Kohlen nicht unter 25 Groſchen abgegeben werden. Im Jahre 1523 wurde die Reiheladung eingeführt, d. h. es durfte von den Kohlenwerksbeſitzern nur einer nach dem andern die Ausbeute der Gruben an den Mann bringen. Auf dieſe Weiſe wurde wohl eine zu große Herabdrückung der Preiſe durch übermäßiges Angebot verhindert, aber zugleich der ganze Bergbau ſehr darniedergehalten.

im Laufe der Zeit ſteigerte ſich die Nachfrage nach Kohle etwas, aber es hat doch volle 300 Jahre gedauert, ehe der Kohlenbergbau einen nennenswerten Aufſchwung nahm. Erſt im Jahre 1823 wurde die alte Kohlenordnung mit der Beſtimmung der Reiheladung, ſowie das landesherrliche Verbot der Kohlenaus­ fuhr aus Sachſen aufgehoben und ſomit das Haupthindernis für die beſſere Aus­ beutung der reichen unterirdiſchen Schätze beſeitigt. Die Einführung der Dampf­ maſchinen, die bei der Hebung der Kohle außerordentliche Dienſte leiſteten, die Einrichtung von Koksöfen und Gasanſtalten, die Gründung der Fiſcherſchen Porzellanfabrik und der Fikentſcherſchen Chamottewaren- und Glasbrennerei in Zwickau, ſowie der Königin-Marienhütte in Cainsdorſ u. a. übten auf den Kohlenbau einen außerordentlich günſtigen Einfluß aus. Dazu kamen der Bau der ſächſiſch-bayriſchen Eiſenbahn, insbeſondere der Linie Zwickau-Leipzig, der die Abfuhr nach den Großſtädten des In- und Auslandes außerordentlich er­ leichterte, und der Aufſchwung der Induſtrie im Vogtlande, der ein früher nicht geahntes Abſatzgebiet ſchuf.

Es wurden nun immer neue Gruben angelegt. Gegenwärtig ſind an 50 Schachte gangbar. Während vor 50 Jahren die Geſamtausbeute des Zwickauer Kohlenbeckens jährlich etwa 170 000 Centner betrug, werden jetzt in jedem Jahr aus demſelben 40 Millionen Centner gewonnen. Was die Beſchaffenheit der ge­ wonnenen Kohlen anlangt, ſo hat zwar jedes Flöz ſeine eigentümliche Kohle, aber im Handel unterſcheidet man bloß zwei Arten, die Pech- und die Ruß- kohle. Erſtere iſt hart, ſpröde und meiſt von tiefſchwarzem Glanze; die Ruß-

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kohle dagegen iſt weicher, beſitzt keinen Glanz, färbt ab und brennt matter, aber nachhaltiger.

Um die Auffindung immer neuer Kohlengebiete und um eine ſyſtematiſche Bebauung derſelben hat ſich beſonders der Freiberger Oberbergrat Profeſſor Auguſt Breithaupt große Verdienſte erworben.

Zu den Merkwürdigkeiten des Zwickauer Kohlenbeckens gehören die Stein­ kohlenbrände. Der bedeutendſte Brand, der bis in die neueſte Zeit ein Palmen­ und Ananashaus wärmte, wurde im dreißigjährigen Kriege auf Planitzer Flur durch kaiſerliche Soldaten dadurch verurſacht, daß ſie die über den Schächten er­ bauten „Kohlhütten“ anzündeten. Da die Bergleute, denen es vielleicht im An­ fang möglich geweſen ſein würde, den entfachten Kohlenbrand zu unterdrücken, die Flucht ergriffen hatten, ſo gewann derſelbe bald ſo außerordentlich an Umfang, daß die ſpäteren raſtloſen Verſuche, das Feuer durch aufgeſtautes Grubenwaſſer, durch Zuſtürzen der Schachte oder durch anderweitigen Luftabſchluß zu vernichten, keinen oder nur vorübergehenden Erfolg hatten. Gegenwärtig iſt der Planitzer Kohlenbrand bis auf einige ſehr geringe Partien erloſchen. Neue Entzündungen in den Zwickauer Kohlenbergwerken ſind jedoch durchaus nicht ſelten, und indem ſie auf der einen Seite durch Zerſtörung der ergriffenen Kohlen Schaden ſtiften, bedrohen ſie anderſeits das Leben der Grubenarbeiter durch Erzeugung der ſo­ genannten „Brandwetter“. Durch „ſchlagende Wetter“, einen ebenſo gefürchteten Grubenfeind, wurden am 1. Dezember 1879 90 Bergleute auf ſchreckliche Weiſe die Opfer ihres mühſeligen Berufs.

Infolge des Kohlenbaues ſind die Dörfer um Zwickau, z. B. Planitz, Bockwa, Oberhohndorf, Schedewitz, Marienthal, Reinsdorf u. a., nicht nur zu bedeutender Größe herangewachſen, ſondern ſie haben auch anſehnlichen Reich­ tum erlangt. Bockwa gilt nicht allein für das reichſte Dorf Sachſens, ſondern ſogar für eine der reichſten Ortſchaften Deutſchlands.

Nach G. Dietrich und B.Geyer.