In Deutſchland ſind die Cöleſtiner längſt verſchwunden, und nur die Ge ſchichte giebt Kunde von ihrem einſtigen Beſtehen. Indeſſen iſt auch ein Ort ihrem Andenken geweiht, der jährlich von Tauſenden beſucht und ſtets mit Be wunderung verlaſſen wird. Auf einem herrlichen in ſeiner Art einzigen Felſen bei Zittau in der ſächſiſchen Oberlaufitz ſteht eine der ſchönſten Ruinen Deutſch lands, ein ehemaliger Sitz der Cöleſtiner. In jener Zeit des oft verleumdeten Mittelalters, als an ſo vielen Orten Ordensleute ſich verdient machten, beſiedelten ernſte Männer auch den Felſen Oybin. Er gehörte damals unter Böhmens Scepter, deſſen Fürſten zwei Orden aus Frankreich in ihr Land verpflanzten, nämlich die Prämonſtratenſer und die Cöleſtiner, welch letztere ſich faſt gar nicht weiter verbreiteten und nach ein paar Jahrhunderten wieder verſchwanden.
Kaiſer Karl
einſame Höhen, hatten aber auch in benachbarten Städten Kirchen, wo ſtets mehrere aus den Klöſtern dem Herrn lobſangen. Gerade ihr Geſang gewann des Kaiſers Wohlgefallen und muß ausgezeichnet geweſen ſein, weil er von einem Für ſten gelobt ward, der für kirchliche Dinge hohes Verſtändnis beſaß. Der fromme Fürſt gedachte ſolche Diener des Herrn in ſein Land Böhmen zu verpflanzen und bat einige, mit ihm heimzureiſen und ſich dort eine ihnen zuſagende Stätte zu wählen. Es geſchah; aber ſie fanden keinen Berg einſam und abgelegen genug bis endlich, da ſie beinahe wieder ſcheiden wollten, dem Kaiſer noch der Oybin bei Zittau einfiel.
Der Berg Oybin im Zittauer Gebirge.
Dies iſt ein romantiſcher Felshügel aus gelbem Sandſtein von 103 Meter Höhe, mit mannigfachen Felſenlagern, Klippen, tiefen Spalten und Schluchten, überall umgrünt von mancherlei Blumen und Strauchwerk. Er liegt in einem kleinen Thale, umgeben von höheren Bergwänden.
Kaiſerliche Jäger hatten im 13. Jahrhunderte die hübſche Lage des Oybins
zu ſchätzen gewußt und deshalb auf demſelben ein Haus erbaut, in dem ſich jedoch
ſpäter Raubritter feſtſetzten, welche die von Zittau nach Prag ziehenden Handels
leute plünderten, und denen nicht beizukommen war, bis Karl
zu Sulmona in Unteritalien als ihr Oberhaupt verehrten. Von 1369 bis 1384 ließ der Kaiſer ſodann eine majeſtätiſche Kirche im ſchönſten Stil, vermutlich durch ſeinen Hofbaumeiſter Arler von Gmünd, erbauen. Noch ſtehen die Grund mauern dieſes aus maſſiven Quadern hergeſtellten Gotteshauſes, deſſen ſüdliche Wand aus dem natürlichen Felſen gebildet wurde; noch ſchmücken architektoniſche Reſte das Gebäude, wenn auch ſeine Al täre und Heiligtümer längſt dem Zahn der Zeit anheimfielen.
Nicht fern von
der Kirche ſtand das
Kloſter, aus deſſen
Fenſtern man die
Ausſicht auf ein en
ges, liebliches Thal
und dahinter auf die
Städte Zittau und
Görlitz hat. Das
Kloſter wurde mit
Meierhöfen und rei
chen Waldungen aus
geſtattet und mit
einem Baufonds aus
den Erträgniſſen der
Kuttenberger Werke
verſehen. Karl
Die Kloſterruinen auf dem Oybin.
zurückzuziehen, gleichwie er es in Karlſtein bei Prag zuweilen gethan. Die Weihe der dem hei ligen Geiſte gewidmeten Kirche und der Wenzelkapelle daneben wurde im Jahre 1384 vollzogen und zwar durch den bekannten Prager Erzbiſchof Johann von Genſtein.
Dieſe Cöleſtiner auf Oybin waren, mit Ausnahme der allererſten, Deutſche, meiſt aus Schleſien gebürtig, und man kennt noch von vielen die Namen. Schauerlich mochte der einſame Ort im Winter ſein, wo Schneemaſſen dort reich licher als anderswo lagen. Aber die Geiſtlichen, als Zweig der gelehrten
Benediktiner, ſtudierten eifrig, zumal ihnen eine gute Bibliothek zu Gebote ſtand.
Zeugnis von ihrem theologiſchen Fleiße geben heute noch viele ihrer Manu
ſkripte, die aus ſchleſiſchen Klöſtern in die Bibliothek der Univerſität Breslau
gelangten. Ihre Gelehrſamkeit und Bildung beſtätigt der urteilsfähige Paul
Lang, den der berühmte Abt
Während der Reformation flüchteten zwar mehrere fremde Mönche zu den Cöleſtinern auf den Oybin, aber neue Ordensbrüder gewann man nicht mehr. Vielmehr verließen nach und nach alle ihren heiligen Berg. Die Güter zog die böhmiſche Regierung zurück, und die Bibliothek ward den Jeſuiten in Prag über geben. Den Berg ſelbſt und die dazu gehörigen Felder und Wälder kaufte die Stadt Zittau, welche ſie auch heute noch beſitzt. Ein Blitzſchlag zerſtörte die Ge bäude, und das jetzige Geſchlecht erfreut ſich nur noch der großartigen Ruinen.