Wie man in früheren Jahrhunderten ſeine häuslichen und ſonſtigen Feſte feierte, das iſt ziemlich ausführlich in den Chroniken der Oberlauſitzer Ortſchaften be richtet. Aus den vorhandenen Aufzeichnungen möge folgendes hier Erwähnung finden.
Als größtes Feſt galt die Hochzeit.
Vor Schließung des Ehebundes mußte der Bräutigam zunächſt durch einen Brautwerber bei den Eltern der Braut feierlich um dieſelbe anhalten laſſen. Nach erhaltenem Jawort fand die Verlobung ſtatt. Vom Kretſcham aus begab ſich der Bräutigam mit einer Anzahl von Verwandten in die Behauſung der Braut, von wo aus nach geſchehener Bewirtung der Gäſte mit Speiſe und Trank in den Kretſcham gezogen wurde. Vor der Hochzeit mußte der Bräutigam, wenn er unter Zittau gehörte, daſelbſt erſt den Unterthänigkeitseid ablegen, worauf er dann den Erlaubnisſchein zum kirchlichen Aufgebot bekam. Am Sonntage vor der Trauung ging die Braut, geſchmückt mit dem Brautkranze, nebſt den erbetenen ſogenannten Züchtjungfern zur Kirche. Am erſten Hochzeitstage zog der Bräutigam mit ſeinen Gäſten wieder vom Kretſcham aus nach der Wohnung der Braut und holte ſie nebſt ihren Gäſten ab. Unter Begleitung von Muſik wurde dann der Zug in die Kirche angetreten und nach der Trauung die Hochzeit im Hauſe der Braut an zwei bis sechs Tiſchen (an einem Tiſche gewöhnlich 16 bis 18 Perſonen) gefeiert.
Am erſten Tage der Hochzeitsfeier nahmen die Gäſte des Bräutigams die Ehrenplätze ein. Während der Tafel war es üblich, wie es auch noch jetzt der Fall iſt, Teller herumgehen zu laſſen, auf welche Spenden für die Muſikanten, den Koch, die Dienſtperſonen, die Schul- und Armenkaſſe gelegt wurden. Nach
dem das Tiſchgebet vom Pfarrer und eine Dankſagung vom Hochzeitsbitter ge ſprochen waren, begaben ſich Bräutigam und Braut mit den Gäſten des erſteren (die Gäſte der Braut blieben zurück) abermals in den Kretſcham, um den feſtlichen Tag mit Tanz zu beſchließen. Am zweiten Tage verſammelten ſich die Gäſte der Braut wieder im Hauſe der Eltern derſelben zu einem ſogenannten Frühſtück. Unter Muſik zogen ſie dann nach der Wohnung des Bräutigams und beglückwünſchten das junge Ehepaar. Auch jetzt fand wieder in derſelben Weiſe wie am Tage zuvor ein Hochzeitsmahl ſtatt, nur mit dem Unterſchiede, daß dies mal die Gäſte der Braut die Ehrenplätze einnahmen. Nachdem die Braut von ſämtlichen Hochzeitsgäſten beſchenkt worden war, ordnete ſich die ganze Geſell ſchaft abermals zu einem Zuge nach dem Kretſcham. Am dritten Hochzeitstage ſetzte die neben der Braut ſitzende Frau, Salzmeſte genannt, jener während des Eſſens eine Haube auf, als Zeichen, daß man ſie nun als Frau betrachte. Hier auf erfolgte wieder der übliche Zug in den Kretſcham. Bei größeren Hochzeiten erſtreckte ſich die Feier ſogar noch auf den vierten Tag. Waren die Eltern der Braut vermögend, ſo richteten dieſelben Sonntags darauf dem jungen Paare und den nächſten Verwandten einen Schmaus aus, das ſogenannte Muttereſſen.
Bei einer Hochzeit, die im Jahre 1515 gefeiert wurde, verzehrten 76 Gäſte nicht weniger als 6 Ohm Wein, eine entſprechende Quantität Bier, 239 Pfund Rindfleiſch, 315 Hähne und Hühner, 40 Gänſe, 3100 Krebſe, 1420 Weißbrote u. ſ. w. – Die beliebteſte Weinſorte war Malvaſier, den der bekannte Zittauer Bürgermeiſter Dornſpach ſogar in der Kirche bei der Hochzeit ſeiner Stieftochter während der Brautpredigt herumreichen ließ. Oft wurden noch lange nach der Hoch zeit dem neuvermälten Paare zu Ehren Feſtmahle und Geſellſchaften abgehalten.
Neben den weltlichen Hochzeiten gab es im Mittelalter höchſt zahlreiche geiſtliche Hochzeiten, welche bei der Aufnahme in ein Kloſter oder an dem Tage ſtattfanden, an dem ein junger Prieſter zum erſten Male die Meſſe las.
An den Tauffeſten nahm ſonſt eine übermäßige Anzahl Frauen teil. In den Zittauer Statuten von 1567 werden ſie „Lachweiber“ genannt. Mehrfach kommt in Schriften der Ausdruck „zur Lache bitten“ vor. Die Zahl der Tauf zeugen war eine ſehr große. Im Jahre 1685 kam in Niederoderwitz der Fall vor, daß der Deſtillateur Hans Georg Goſch bei der Taufe ſeines Kindes nicht weniger als 38 Paten hatte, von denen jedoch nur drei ins Kirchenbuch ein geſchrieben wurden.
Außer dieſen häuslichen Feſten gab es noch viele andere Luſtbarkeiten, die meiſt aus der heidniſchen Vorzeit herſtammten. Die meiſten waren mit allerhand abergläubiſchen Anſchauungen verknüpft.
Hierher gehören das ſogenannte Oſterreiten und Oſterſingen. An das Oſterreiten erinnert noch gegenwärtig das „Saatreiten“ in den katholiſchen Be zirken der Oberlaufitz. Sänger und Muſikanten ſammelten ſich am Oſterfeſte nach dem Nachmittagsgottesdienſte bei der Pfarre und Schule zu Pferde und ritten, begleitet von der Jugend des Ortes, unter Geſang und Muſik im Dorfe herum. Da dies Gelegenheit zu manchem Unfuge gab, ſo ſchaffte man am Anfange des vorigen Jahrhunderts das Oſterreiten unter Androhung von Geld und Gefängnis
ſtrafen ab. Seit jener Zeit traten die Oſterſänger an die Stelle. Sie gingen von Haus zu Haus und ſangen gegen Verabreichung eines Geſchenkes Oſterlieder.
Die ſchon in alter Zeit vor Weihnachten üblichen Vermummungen von Perſonen, welche in den Wohnungen erſcheinen und als Chriſtkind in Beglei tung eines Engels den guten Kindern Geſchenke, namentlich Äpfel, Nüſſe u. ſ. w. bringen, als Knecht Ruprecht aber die unartigen mit der Rute bedrohen, finden bekanntlich noch gegenwärtig ſtatt. Seltener aber kommt das Pantoffel werfen, Bleigießen u. ſ. w. vor, um ſein Schickſal für das künftige Jahr zu erforſchen, ſowie das Binden der Obſtbäume mit Strohſeilen, um dieſelben zu größerer Fruchtbarkeit zu veranlaſſen. Ebenfalls an die heidniſche Vorzeit er innert ferner das Gründonnerstaggehen der Kinder, welches jetzt aber polizeilich verboten iſt. Es ſtammt noch aus der Zeit her, in welcher die Kinder zur Feier des Frühlings einen Umzug hielten. Ungeachtet aller polizei lichen Verbote flammen aber jetzt noch am Johannistage die Feuer von den Höhen wie damals, als unſere Vorfahren ihren Göttern daſelbſt Opferfeuer an zündeten. Heute noch ſchwingt man luſtig die brennenden Beſen und ſchießt fleißig mit Piſtolen und anderen Schießgewehren, doch ohne damit, wie früher in der Walpurgisnacht, die Hexen vertreiben zu wollen. Mit den Zwölfnächten, welche an die heidniſchen Feſtlichkeiten zur Zeit der Winnterſonnenwende erinnern, verbinden nur noch wenige ältere Perſonen abergläubiſche Vorſtellungen. Auch die Gewohnheit, Oſterwaſſer zu holen, das, in der Oſternacht ſchweigend ge ſchöpft und ſchweigend nach Hauſe gebracht, die Kraft zu verjüngen und zu ver ſchönen haben ſoll, kommt nur ausnahmsweiſe vor, während früher der weibliche Teil der Bevölkerung allgemein dieſem abergläubiſchen Brauche huldigte.
An das obenerwähnte Oſter- und Saatreiten erinnert auch der vor der Zeit der Reformation übliche Brauch, einen hölzernen, ſogenannten Palmeſel mit großem Gepränge und unter Abſingen von Liedern um die Felder herumzuführen. Das Getreide ſollte dadurch vor Wetterſchäden geſchützt werden. In Bautzen wurde dieſer Brauch auf Befehl des Stadtrates im Jahre 1533 abgeſchafft.
Ein anderer alter Brauch war das ſogenannte „Sommerannehmen“.
Es wurde jährlich an Petri Stuhlfeier abends eine Prozeſſion von den Lehrern und Schülern gehalten, welcher der ganze Rat und die vornehmſten Perſonen der Stadt mit angezündeten Wachskerzen und Laternen folgten. Bei dieſer Prozeſſion wurde geſungen: „Simon Johanna diligis me etc.“ Alle Fenſter der Straßen, durch welche die Prozeſſion ging, waren hell erleuchtet. Auf dem Markte brannte ein großes Feuer, um welches die Prozeſſion herumging. Die Schüler erhielten Speiſe und Trank. Bei dieſem Umzuge wurde aber gewöhnlich viel Unfug verübt, und 1522 erſchienen bei der Feier dieſes Feſtes zwei ver kleidete Bauern, welche auf einer großen Stange päpſtliche Ablaßbriefe umher trugen. Sie boten dieſe Ablaßbriefe zum Verkaufe aus; doch da niemand etwas dafür geben wollte, ſo warfen ſie dieſelben unter dem Hohngelächter der Menge in das Feuer. Im folgenden Jahre erſchienen bei derſelben Feier abermals einige vermummte Perſonen, die einen papiernen Papſt auf einer Leichenbahre trugen. Bei dem Feuer, welches auf dem Markte brannte, ſetzten ſie dann die
Bahre nieder, ergriffen den Papſt und übergaben ihn den Flammen. Der Stadtrat, noch mehr Exzeſſe fürchtend, verbot noch in demſelben Jahre dieſes Feſt für immer.
Ein dieſem ſehr ähnlicher alter Brauch war auch das ſogenannte „Semper
rennen“. Dieſe Karnevalsbeluſtigung wurde, wie uns
Von dem Anfange dieſes Liedes erhielt der Gebrauch den Namen Semper rennen. Lange ſchon hatte die Obrigkeit dieſem Unweſen ſteuern wollen; doch fehlte die geiſtliche Mithilfe, da die Mönche ihren Schülern dieſe Freude nicht rauben laſſen wollten. Der Stadtrat kam endlich mit dem Biſchof Johannes von Meißen überein, daß 1442 ein Verbot erfolgte. Die Schüler wurden durch den Gregoriusumgang entſchädigt. – Jedenfalls erinnert der Name „Semperrennen“ an den von den Wenden verehrten Gott Zemberis, den Befruchter der Erde. Nahe bei Jonsdorf ſoll es einen Fels geben, welchen man den Semperſtein nennt.
Die Austreibung des Todes am Sonntag Lätare war ebenfalls ein uralter Brauch, der noch aus der Zeit des Heidentums herrührte. In vielen wendiſchen Dörfern der Oberlauſitz verſammelten ſich noch um 1770 am Nach mittage jenes Sonntags Knechte, Mägde und Kinder und fertigten von Stroh und Lumpen ein Bildnis, welches den Tod bedeuten ſollte. Man befeſtigte das ſelbe an einer hohen Stange und warf unter Geſang mit Steinen nach ihm. Oft wurde der „Tod“ zum Dorfe hinaus an ein Waſſer getragen und hinein geworfen. Man hatte die abergläubiſche Meinung, daß dadurch der Tod ſeine Macht verliere und die Menſchen weder von der Peſt noch von anderen Krank heiten befallen werden könnten. Noch öfter wurde das Bild bis über die Grenzen des nächſten Dorfes gebracht. Da man dasſelbe aber hier nicht dulden wollte, ſo wurde dies Veranlaſſung zu heftigem Streit und zu argen Schläge reien, weshalb dieſer abergläubiſche Brauch auch ſpäter von ſeiten der Obrigkeit verboten wurde.
Eine andere eigentümliche alte Sitte herrſchte nicht bloß in der Oberlauſitz, ſondern auch in anderen Gegenden Deutſchlands bei dem Setzen von Grenz
ſteinen. Man nahm dabei Knaben mit und gab ihnen an der betreffenden Stelle als „Merk’s“ oder „Dachtel“ einen Backenſtreich, damit ſie ſpäter imſtande ſein möchten, erforderlichen Falles Zeugnis von dem vollführten Akt ablegen zu können. Mitunter wußten ſich auch Erwachſene, z. B. Förſter, Waldarbeiter oder Ortsrichter dieſer alten Sitte unterwerfen. So findet man im Jahre 1720 bei Gelegenheit der Feſtſtellung der Grenze der Zittauer Waldungen und der böhmiſchen Herrſchaft Gabel, daß Hans Georg Schleinitz von Hermsdorf und Caspar Seydel von Oybin, an einer zweiten Stelle Joſeph Stoy, Hans Poſſelt von Petersdorf, Hans Chriſtoph Pracht von Hermsdorf und Chriſtoph Schüler von Gabel und an anderen Stellen der Förſter zu Hermsdorf, Georg Pracht, ſowie der Förſter zu Petersdorf, Chriſtian Stoy, und der Lückendorfer Förſter, Michael Zöllner, „gepritſchet“ wurden. Die ſogenannte Pritſche war ein bis zum Griffe in lauter dünne Späne zerſägtes viereckiges Stück Holz, deſſen Schlage keine Schmerzen, wohl aber viel Geräuſch verurſachten.
Ebenſo finden ſich bei den Kaufverhandlungen der Vorzeit manche beachtens werte Eigentümlichkeiten. Hierher gehört z. B. der Gebrauch der Kerbhölzer, die in den alten Schöppenbüchern oft erwähnt werden. Man bediente ſich ihrer in einer Zeit, in welcher das Papier noch nicht zu allgemeiner Anwendung ge langt war, in welcher nur wenige ſchreiben konnten und gewöhnlich bei der Seltenheit des Geldes nur ein kleiner Teil der feſtgeſetzten Kaufſumme bar erlegt wurde. Der noch reſtierende Teil der Summe wurde in der Regel in einer größeren Anzahl von Terminen bezahlt. Da dieſelben ſich auf eine Reihe von Jahren erſtreckten und oft auf die Kinder vererbten, ſo nannte man das zu zah lende Geld „Erbegeld“. Jede Partei erhielt ein ſolches mit dem Namen des Schuldners bezeichnetes Kerbholz, auf dem die Anzahl der Termine eingekerbt war. Bei der nach und nach erfolgenden Zahlung der Kaufſumme wurde von dem Gläubiger an Gerichtsſtelle von beiden Exemplaren ein Stück abgeſchnitten, was als Quittung galt. In Olbersdorf waren dieſe Kerbhölzer bis nahe an 1600 in Gebrauch. Ausdrücke wie „am Kerbe hinten abſchneiden“, „mit Über reichung des Kerbholzes“, „auf einen Kerb angeſchnitten“, oder „man ſoll die Kerbhölzer mitbringen“, kommen um dieſe Zeit noch oft vor. Die heute noch übliche Redensart: „Er hat viel auf ſeinem Kerbholz“ erinnert an jene Zeit. Auch von den Wirten wurde das Kerbholz für nicht zahlende Gäſte gebraucht, ebenſo von den Steuererhebern. Letztere führten Kerbhölzer bei ſich, auf denen der Steuerbeitrag des Pflichtigen eingeſchnitten war. Dieſe Stöcke wurden ge ſpalten und dienten, indem die eine Hälfte in der Hand des Steuerpflichtigen, die andere in der des Erhebers blieb, auch als Quittung und zur Kontrolle.
Die früher auf den Lauſitzer Dörfern, zur Zeit, als man noch in den Häuſern das Spinnrad munter ſchnurren hörte, oft vorkommenden ſogenannten Rocken- und Lichtengänge werden immer ſeltener. Wie gern eilten damals die jungen Mädchen, das Spinnrad im Arm, in das vorher beſtimmte Haus einer Gefährtin! Welch reges Leben entwickelte ſich dort bei einem trüben Öllämpchen, beim düſter brennenden Kienſpane oder dem praſſelnden Herdfeuer! Wenn auch die jungen Burſchen des Dorfes fanden ſich ein, und viel wurde geſcherzt, gelacht
und mancherlei erzählt. Mit welch freudiger Erwartung ſah man ſchon der nächſten Zuſammenkunft entgegen!
Eine höchſt eigentümliche Sitte war das ſogenannte Ehrlichmachen. Es wurde geübt, um unſchuldig Verurteilten Genugthuung zu verſchaffen, und auch bei Perſonen, welche Reue aber ihr Vergehen empfanden und Beſſerung erwarten ließen, angewandt. Beim Militär wurde es bis zum Ende des vorigen Jahr hunderts beibehalten. Leider war die Form, in der es ausgeführt wurde, ſehr erniedrigend. Ein Beiſpiel aus der Geſchichte Bautzens wird dies näher darthun. Ein Deſerteur war 1697 freiwillig wieder bei ſeinem Regimente in Bautzen eingetroffen. Nachdem vorher der Scharfrichter den Namen des ſelben vom Galgen abgeriſſen hatte, marſchierte die Compagnie mit ihrer Fahne auf dem Reitplane auf und formierte einen Kreis. Der außerhalb des Kreiſes ſich befindende Deſerteur rief dreimal: „Ein Schelm verlangt wieder ehrlich ge macht zu werden!“ Hierauf wurde der Kreis ſo weit geöffnet, daß der Deſerteur, auf Händen und Füßen kriechend, mit einem alten Mantel bekleidet und den Hut im Munde, hineingelangen konnte. Im Kreiſe wurde nun die Fahne dreimal über demſelben geſchwenkt, wobei ihm jedesmal von dem Profoß mit dem Fuße der Fahne auf den Kopf geſtoßen und die Spitze der Fahne auf denſelben gelegt wurde. Darauf ſtand er auf, und die Ceremonie hatte ein Ende.
Zu den Polizeiſtrafen des Mittelalters gehörte das Stehen am Pranger. Es war die gewöhnliche Strafe für Diebe, Betrüger und Gottesläſterer. In Zittau wußte z. B. 1611 ein Mann aus Dittelsdorf wegen Gottesläſterung am Pranger ſtehen. Ein an ſeiner Bruſt befeſtigter Papierſtreifen enthielt folgende Worte: „Dieſer hat geläſtert Gott, darum leid’t er dieſen Spott.“ Weil aber in jener Zeit viele nicht leſen konnten, ſo veranſchaulichte man zuweilen die Vergehen durch Abbildungen. Einem Kuhdiebe hing man z. B. 1688 das Bild einer Kuh um den Hals. In Bautzen erließ der Stadtrat 1567 eine Verordnung wegen des überhandnehmenden Fluchens und Schwörens. In derſelben heißt es: „Derjenige, welcher wendiſch oder deutſch flucht, ſoll wenigſtens drei Stunden am Halseiſen ſtehen.“ Dieſe Strafe fand gewöhnlich Sonntags nach beendetem Gottesdienſte ſtatt. In der Nähe des Kirchhofthores, gewöhnlich außerhalb desſelben, wurden die zu Beſtrafenden an eine Säule geſtellt und mit dem Halseiſen daran befeſtigt. An manchen Orten wurde auch auf einer Tafel ihr Vergehen zur Mitteilung ge bracht, gefallenen Frauensperſonen aber ein weißes Tuch, das Sinnbild der ver lorenen Unſchuld, umgehängt.
Noch einige andere jener Zeit eigentümliche Polizeiſtrafen ſind zu erwähnen. So wurden 1717 in Zittau neun Hofdreſcher aus Türchau, welche das Getreide nicht rein ausgedroſchen hatten, die Dreſchflegel auf dem Rücken, von einem Ge richtsdiener in der Stadt herumgeführt und hierauf in den böhmiſchen Turme ge fangen geſetzt. 1682 wird ein dreiſtündiges Sitzen „im ſpaniſchen Mantel“ beim Weinkeller erwähnt.
Eine ſonderbare, auch anderwärts übliche Strafe war das Flaſchentragen. In manchen Gegenden gebrauchte man ſtatt der Flaſchen einen ſchweren Stein, den Klapper-, Schand- oder Laſterſtein, der die Geſtalt eines Zerrbildes
hatte, oft mit Eſelsohren verſehen war und mit einem Halseiſen um den Hals befeſtigt wurde. Es war dies eine Strafe, mit der man verleumderiſche, zank ſüchtige Frauen belegte. Verleumdete ein Mann einen andern oder beſchimpfte ihn mit Worten, ſo hatte er bloß eine Geldbuße von einigen Pfennigen zu erlegen. Dieſes Flaſchen- oder Steintragen fand in der Regel an Markttagen ſtatt. Ge richtsboten gingen voraus oder folgten und blieſen in ein Horn, um das ſchau luſtige Volk herbeizulocken. An manchen Orten waren die zu beſtrafenden Weiber mit zugeſpitzten Stöcken bewaffnet, mit denen ſie ſich während des Ganges gegen ſeitig ſtechen und ſtoßen mußten. Eine gewöhnlich auf dem Rücken befeſtigte In ſchrift gab den Namen und das Vergehen der Verurteilten an. In Bautzen gab es hölzerne und ſteinerne Flaſchen, welche an der Ratswage angeſchloſſen waren. Die ſchwerſte ſteinerne Flaſche daſelbſt nannte man die „graue Suppe“. Jeder Frauensperſon, welche hier zu dieſer Strafe verurteilt wurde, hing man einen Zettel mit folgender Inſchrift um: „Welber, die ſich zanken und ſchlagen, Müſſen dieſe Flaſchen tragen.“