Kapitel 27. Die Strohhutinduſtrie im Müglitzthale.

Am Anfange des vorigen Jahrhunderts wanderte in Dohna ein Stellmacher­ geſelle, mit Namen Chriſtian Gottlob Schubert, ein. Dieſer Mann hatte lange im Schwarzwalde gearbeitet und dort die Strohflechterei und die Strohhutnäherei eingehend kennen gelernt. Als er ſich mit der Tochter ſeines Meiſters ver­ heiratet hatte, brachte er den Frauen und Kindern in Dohna das Strohflechten bei und gab den erſteren Anleitung zum Nähen der Strohhüte. Bald breitete ſich dieſe Fertigkeit weiter aus, bis auf den Kamm des Gebirges. Die arme Gebirgs­ bevölkerung hat durch dieſen Mann faſt 1½ Jahrhundert lang einen lohnenden Erwerbszweig gehabt. Schon um 1730 wurden viel Strohhüte exportiert. Mag Bartzſch berichtet: „Sonderlich wiſſen die Weibsperſonen aus Weitzenſtroh, welches hierum häufig zu haben, Strohhüte mancherlei Art zu machen, die nicht nur im

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Lande gebrauchet, ſondern auch in die Brandenburgiſchen und andere Lande ver­ führt und verhandelt worden.“ Schubert hatte mit ſeinen Hüten zuerſt die Märkte zu Pirna, Dresden, Freiberg und alsdann die Leipziger Meſſe bezogen und ſo nach und nach das Abſatzgebiet erobert, das zum Teil noch jetzt die Fabrikanten beherrſchen.

Die Strohflechterei iſt freilich mit der Zeit immer weniger lohnend geworden. Ausländiſche Waren haben die Preiſe gedrückt, und eine fleißige Flechterin ver­ mag es kaum auf 25 bis 30 Pfennige täglichen Verdienſt zu bringen. Stroh­ flechtſchulen haben keine Änderung bewirkt und ſind wieder eingegangen. Jetzt fertigt man in Dohna hauptſächlich „Kappen“, große Hüte, die zur National­ tracht des Thüringer Volkes in der Schleußinger Gegend und im Heſſiſchen gehören. In der Umgegend, namentlich in Mügeln und Kreiſcha, werden allerlei Damen-, Herren- und Kinderhüte gearbeitet, die nicht nur nach deutſchen Ländern, ſondern auch nach Holland, Belgien, England und Frankreich gehen. Die meiſten Hüte werden mit Nähmaſchinen genäht, alsdann geleimt und mit hydrauliſchen Preſſen geplättet und getrocknet. Viele werden auch gleich in der Fabrik gefüttert und garniert.

So hat ſich die von Schubert eingeführte Induſtrie weſentlich umgeſtaltet. Trotz ihres Niederganges beſchäftigt ſie noch immer Tauſende von Händen im Müglitzthale. P.Bernhardt.