Kapitel 22. Das Steinkreuz bei Klotzſche.

Im Jahre 1401 ward auf dem Rathauſe zu Dresden ein Adelstanz ge­ halten, bei welchem ſich zwei mächtige Ritter arg veruneinigten. Der Ritter Rudolf von Körbitz hatte dem Burggrafen Jeſchke von Dohna während des Tanzes ein Bein geſtellt, worauf dieſer jenem eine Ohrfeige gab. Es entſtand nun eine blutige Fehde, welche bis in das nächſte Jahr währte. Der Burggraf von Dohna und ſeine Vettern Johne und Heide machten durch Raub und Mord die Gegend von Dresden bis zur böhmiſchen Grenze unſicher. Der Markgraf von Meißen mußte endlich die Feinde Derer von Dohna unterſtützen, um Ruhe zu ſchaffen. Man beſchloß, die Grafen von Dohna aus ihren Stammſitzen zu vertreiben und die Burg Dohna zu zerſtören, was auch den 19. Juni 1402 geſchah. Johne und Heide fielen im Kampfe. Der Burggraf von Dohna floh erſt nach Weeſen­ ſtein, dann nach Königſtein und endlich nach Ungarn, wo er in der Stadt Ofen als Ruheſtörer enthauptet ward.

Schon früher, als der Burggraf vermuten konnte, daß ſeine Burg erobert werden könnte, war er auf die Rettung ſeiner beiden Kinder, Wentzſch und Mar­ garete, bedacht Er übergab dieſelben einem treuen Diener und tapferen Kriegs­ mann, Jonas Daniel, damit er dieſelben in Begleitung von vier Knappen nach Königsbrück zur befreundeten Adelsfamilie von Waldow bringen möge. Jonas Daniel kannte die Wege dahin genau. Die fünf Reiter kamen mit den Kindern des Nachts glücklich bis in die Nähe von Klotzſche bei Dresden. Als ſie aber einen Kreuzweg im Walde überſchreiten wollten, wurden ſie plötzlich von einer ſtreifenden Reiterſchar angefallen, welche auf der Lauer geſtanden zu haben ſchien. Wahrſcheinlich waren es Abgeſandte des Ritters von Körbitz. Der treue Jonas war nur auf die Rettung der ihm anvertrauten Kinder bedacht. Er übergab ſie einem ſeiner Genoſſen und hieß ihn dieſelben eilig nach Königsbrück bringen. Er ſelbſt aber warf ſich mit den andern Begleitern ſofort den Angreifern kämpfend entgegen, um ſie von der Verfolgung der Kinder abzuhalten. Der abgeſandte Reiter kam mit den Kindern glücklich bis Königsbrück und übergab ſie dem Bal­ thaſar von Waldow, dem Beſitzer des daſigen Schloſſes. Als dieſer und ſein eben anweſender Gaſt, Hans von Polenz, den Bericht des Knappen hörten, machten ſie ſich mit ihren Reitersknechten ſofort auf, um den Dohnaiſchen Reitern beizuſtehen und ſie womöglich zu retten. Leider kamen ſie erſt am Morgen auf dem That­ orte an. Hier fanden ſie die drei Begleiter des alten Jonas ſchwer verwundet, ihn ſelbſt aber tot. Die feindlichen Reiter waren davongeeilt.

Zur Erinnerung hieran und beſonders zum Gedächtnis des treuen Dieners, der in Gehorſam gegen ſeinen Herrn und in Fürſorge für die ihm anvertrauten Kinder das Leben aufgeopfert hatte, ward ſpäter an jenem Orte ein Kreuz errichtet, das jetzt noch zu ſehen iſt. Dasſelbe iſt aus Sandſtein gehauen und hat die Höhe von etwa 1 Meter. Seine Inſchrift: Fin(is) Milit(is) Jhonas Dan(iel) will ſagen, daß hier der Soldat Jonas Daniel ſein Lebensende gefunden habe.

So möge denn das einfache Kreuz aus Sandſtein, überſchattet von hohen Nadelbäumen und umwachſen von Moos und Waldgras, noch viele Jahrhunderte

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nach der belebten Straße hinüberſchauen, um den nach der volkreichen Haupt­ ſtadt eilenden Wanderern zu erzählen, daß das Gedächtnis des Gerechten in Segen bleibt.

H. G.Fiſcher.