Kapitel 21. Der Fürſtenborn in Klotzſche.

Das Dorf Klotzſche iſt unzweifelhaft von den Sorben-Wenden gegründet worden. Sein Name iſt wendiſch und bedeutet „ein neues Ackerfeld im Wald­ boden“. Die heidniſchen Wenden verehrten ihre Götter wahrſcheinlich bei den nahen Olterſteinen und Olterteichen. Dort hat man auch Grabſtätten der Wenden mit vielen Urnen gefunden. Die Olterſteine nebſt andern „erratiſchen Blöcken“ ſind Fremdlinge aus Schweden und Norwegen, welche durch mächtige Waſſerfluten mit großen Eisſchollen hierher geführt worden ſind. Wegen der räuberiſchen Einfälle der heidniſchen Wenden in das chriſtliche Deutſchland überwand ſie Kaiſer Heinrich I. In dem eroberten Lande gründete er eine Markgrafſchaft und eine Burg, Meißen, und übergab ſie einem Markgrafen. Dieſer und der Biſchof von Meißen ſorgten dafür, daß die heidniſchen Wenden zum Chriſtentume bekehrt wurden. Damals ward auch das heidniſche Dorf Klotzſche ein chriſtliches Dorf. Weil es aber noch klein war, konnte es keine ſelbſtändige Kirchengemeinde bilden, ſondern ward nach Dresden eingepfarrt. Der Weg, auf dem die dama­ ligen Einwohner von Klotzſche nach Dresden in die Kirche gingen, heißt noch jetzt „der Kirchſteg“. Der Kirchweg nach Dresden aber war beſchwerlich, da er durch einen großen Wald führte, der bis zum jetzigen Albertplatze in Dresden reichte. Weil nun die Kirchleute öfter von Räubern und wilden Tieren beunruhigt wurden, ſo entſtand bei ihnen der Wunſch, eine Kirche im Orte zu haben. Die Bewohner von Klotzſche wendeten ſich daher an den Biſchof von Meißen mit der Bitte, eine eigene Kirche bauen und einen eigenen Geiſtlichen halten zu dürfen. Der Biſchof Wittige II. genehmigte dies denn auch in einer lateiniſchen Urkunde, welche den 19. September 1321 ausgefertigt worden iſt. Es ward hierauf eine Kirche auf der Anhöhe erbaut, welche jetzt der „Kirchberg“ heißt, und dabei ein neuer Gottesacker angelegt. Man erzählt, daß damals das Weihwaſſer aus einem beſonderen Brunnen, ſpäter „Fürſtenborn“ genannt, geholt worden ſei. Als Heinrich der Fromme 1539 die Reformation im albertiniſchen Sachſen einführte, fand ſie jedenfalls auch in Klotzſche Annahme. Das Waſſer des Brunnens diente jetzt nicht mehr gottesdienſtlichen Zwecken, wohl aber erhielt es eine beſondere Bedeutung durch den Umſtand, daß einſt bei fürſtlicher Jagd der hohe Jagdherr und ſein Gefolge aus dem Brunnen ihren Durſt ſtillten. Seit dieſer Zeit führt der Brunnen den Namen „Fürſtenborn“.

Der anfangs dieſes Jahrhunderts in Klotzſche amtierende Pfarrer Chriſtoph Heinrich Jenichen hat den Fürſtenborn in folgenden Verſen beſungen:

„Am Hange des Hügellands rinnet ein Quell, Verborgen und ſtill wie Kryſtalle ſo hell. Er rann ſchon in graueſten Zeiten. Da ſchwieg noch das Leben, da ſtand noch kein Haus, Es ragte der Wald zu den Wolken hinaus, Und Hirſche durchſtreiften die Heiden.

Sie flogen heran mit gehobnem Geweih Und tranken im Brunnen und walteten frei, Geſichert vor Wurfſpieß und Bogen.

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Sie graſten im Thale, dem Bächlein entlang, Das tränkte mit perlendem Taue den Hang, Von Oſten nach Weſten gezogen.

Jahrtauſende hingen mit ernſtem Geſicht Schon über des Quelles hellblinkendem Licht, Und thatenlos flohen die Tage; Da baute der ſorgliche Sorbe ſich an, Er ſchöpfte den Quell und erlabte ſich dran.

Jahrhunderte rollten nun wieder vorbei, Der gute, der böſe Gott heerſchten noch frei, Die Götter, ſie liebten die Quelle; Und Prieſter, ſie wieſen mit dräuender Hand Den ſorbiſchen Mann, der bewohnte das Land, Hinauf zu der ewigen Zelle.

Doch lichter und lichter erhellt ſich die Welt, Das Kreuz des Erlöſers erringet das Feld, Von Süden nach Norden getragen. Nun ſtärkt ſich der Glaube, nun weiht ſich der Quell Zum heiligen Waſſer der Wunderkapell’; Die Sündigen dürfen nicht zagen.

Und höher und höher ſteigt wieder das Licht, Bis endlich das innerſte Dunkel ſich bricht Im Glanze der leuchtenden Tage; Und hell wie der Silberglanz ſtrahlet das Wort, Es leitet die Seelen zum himmliſchen Port, Wo fern iſt die irdiſche Klage.

Da war es, da rief zu dem heimiſchen Born Der fröhlichen Jagden fernhallendes Horn Den dürſtenden Fürſten des Landes. Er ſprengte heran auf ſtattlichem Roß, Ihm nach der gewaltige, ſchmetternde Troß, Und ſchöpfte, trotz Sternes und Bandes.

Umwölbt mir, gebot er, den rinnenden Quell, Er mundet ſo lieblich, er blinket ſo hell, Er trage den Namen der Fürſten Und labe mein Volk, wenn der Sonnenball ſteigt Und alles im brennenden Strahle ſich neigt, Erquicke die Pilger, die dürſten.

Gott ſegne den Fürſten, der ſolches Wort ſprach, Der Blüten vom Bäumchen der Menſchenhuld brach Und freundlich den Seinen ſie reichte. Ihm wehe die Palme des Himmliſchen mild, Und nimmer erſterbe ſein liebendes Bild, Ob längſt ſchon die Waldung erbleichte!“

H. G.Fiſcher

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