Das Werk der Reformation war geſchehen. Die Wächter und Schützer dieſes Werkes, Friedrich der Weiſe, Johann der Beſtändige und Johann Friedrich der Großmütige waren zum Frieden eingegangen; auch Herzog Moritz, welcher nach der Schlacht bei Mühlberg, am 24. April 1547, die Kurwürde übernommen hatte, war, 1553 in der Schlacht von Sievershauſen zu Tode verwundet, zwei Tage ſpäter gottſelig geſtorben. Er hinterließ nur eine Tochter; ſein einziges Söhnlein war frühe verblichen.
So kam das Kurland an ſeinen Bruder Auguſt. Dieſer war 1526 zu
Freiberg geboren und in ſeiner Jugend aufs beſte erzogen worden. Später
hatte er in Leipzig ſtudiert
und ſich am Hofe des
Königs Ferdinand in
Prag aufgehalten, wo er
mit deſſen Sohne Max,
dem nachmaligen Kaiſer
Maximilian
Vater Auguſt.
Konnte ſein Vor gänger Moritz, das Schwert kaum aus der Hand legen, ſo war es Auguſt möglich, die Werke des Friedens zu pflegen; denn während ſeiner dreiunddreißigjährigen Regierung ruhten faſt immer die Waffen. Er heilte die Wunden des Landes, die der Krieg geſchlagen hatte, und mehrte die Wohlfahrt ſeines Volkes. Seine Zeitgenoſſen gaben ihm den ſchönen Beinamen „Vater Auguſt“ und nannten ihn „des deutſchen Reiches Herz, Hand und Auge“. Seine große Gerechtigkeits- und Friedensliebe empfahl ihn vielen Fürſten zum Friedensrichter und Schlichter ihrer Zerwürfniſſe.
Noch heute zeigt das Land die Spuren ſeiner treuen Sorgfalt. Die Land wirtſchaft, det Obſt- und Gartenbau kamen zu einer Blüte, welche zuvor nicht geahnt war. Der Kurfürſt gründete Muſterwirtſchaften zu Oſtra und Gorbitz,
verſchrieb edle Pferde und Rinder und ließ zu Oſtra an der Wilsdruffer Vor ſtadt von Dresden eine große Schäferei erbauen, um hinreichenden Wollvorrat für die des Glaubens halber aus den Niederlanden, dem heutigen Holland und Belgien geflüchteten und in Sachſen aufgenommenen Tuchmacher zu gewinnen. Ihrer waren 20000, und mehr noch als 20000 zogen aus anderen Gegenden herzu. Dieſelben ließen ſich in den Städten Oſchatz, Wurzen, Torgau, Liebenwerda, Elſterwerda, Cottbus, Görlitz, Bautzen und Kamenz nieder, welche ihnen der Kurfürſt angewieſen hatte. Noch heute herrſcht dort die Tuchfabrikation. Auch Uhrmacher, Teppichweber, Seidenweber und Perlenſticker wurden nach Sachſen gerufen und begünſtigt, und ſo die Gewerbe gehoben.
In den Obſtgärten des Oſtragutes arbeitete der Kurfürſt ſelbſt, und mit eigener Hand führte er Grabſcheit, Hacke, Rechen, Säge und Meſſer. Er hatte ſtets ein Lager von Obſtkernen der beſten Sorten und führte Säcke davon auf Reiſen mit, um unter die Landwirte jederzeit Samenkerne austeilen zu können. Er verlangte, daß jedes neue Ehepaar mindeſtens zwei Obſtbäume pflanze. Er ſelbſt handelte gemäß dem hernach erſt aufgekommenen Spruche:
„Auf jeden Raum Pflanz’ einen Baum und pflege ſein: Er bringt dir’s ein!“
Um noch wirkſamere Anleitung ſeinen Zeitgenoſſen zu geben, ließ er ein „Künſtlich Obſt- und Gartenbuch“ drucken. Treibhäuſer waren zu Vater Auguſts Zeit noch äußerſt ſelten; er aber beſaß deren einige. An beſonders geſchützten Stellen ſeiner ſchönen Anlagen prangten im Sommer Lorbeer und Myrte, Feige und Roſe, Tabak und Rosmarin in natürlichen Wachstum oder in künſtlich ver ſchnittenen Formen.
Der Weinbau war ſchon im elften Jahrhundert durch die Biſchöfe von Meißen, welche für ihre Gemeinden Abendmahlswein brauchten, im Elbthale be gründet worden und wurde früher in größerem Umfange betrieben als jetzt, wo man nur die Gelände, die zum Getreidebau ſich nicht eignen, mit dem Weinſtocke bepflanzt. Das Verdienſt aber, gute und edle Sorten aus Frankreich eingeführt zu haben, gebührt dem Vater Auguſt.
Wüſte Gegenden kaufte der Kurfürſt an und ließ ſie urbar machen. Die Annahme, daß er von Wolkenſtein aus, welches er oftmals beſuchte, dem oberen Erzgebirge ſeine Sorgfalt zuwandte, hat viel für ſich.
Die Waldungen wurden eifrig gepflegt. Damit ihre Produkte, namentlich Brenn- und Schachtholz, leichter transportiert werden konnten, wurden Floß- gräben angelegt. So bedurfte das ſilbergrubenreiche Annaberg viel Schachtholz. Der zwei Stunden lange Floßgraben vom Bärenſtein abwärts bis oberhalb Annaberg wurde in den Jahren 1564–66 durch den Ratsherrn und Mark ſcheider Georg Öhler in Annaberg geſchaffen. Seit vielen Jahren jedoch liegt dieſer vormals mit Pöhlawaſſer geſpeiſte Graben unbenutzt.
Auch den Bergbau ſuchte der Kurfürſt zu heben, ſowie den Straßenbau und das Poſtweſen zu fördern. Gerade in dieſer Beziehung gab es im oberen
Die Auguſtusburg in ihrer früheren Geſtalt.
Die Auguſtusburg in der Gegenwart. (Aus Graſers Zſchopauthal-Album.).
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Erzgebirge viel zu thun, und noch Jahrhunderte dauerte es, bis dasſelbe von einem genügenden Landſtraßennetz durchzogen wurde. So wird erzählt, daß der Kaiſer Peter von Rußland, ſpäter der Große genannt, von Annaberg aufbrach, um nach Karlsbad zu reiſen, aber ſchon nach zwei reichlichen Wegſtunden in Crottendorf übernachten mußte, weil auf den tiefausgefahrenen Hohl- und Wald wegen nicht ſchneller und weiter fortzukommen war.
Große Sparſamkeit in kleinen und gewöhnlichen Dingen erlaubte dem Kur fürſten, welcher wegen der in ſeinen Landen fündig gewurdenen Silbererze als der reichſte Herr im Deutſchen Reiche galt, ab und zu eine großartige Ausgabe. So ließ er durch tauſend Maurer und Zimmerleute nebſt hundert Handlangern, welche vier Sommer arbeiteten, auf dem Schellenberge ein neues Schloß aufführen, das er „die Auguſtusburg“ nannte. Vier gerade nach den vier Himmelsgegenden gelegene Häuſer mit großen Zwiſchenbauten bilden ein ſtattliches Schloß mit fünf Sälen, hundertfünfzig Zimmern und Kammern und fünfundzwanzig Kellern.
Auf dem Schlachtſelde bei Mühlberg, wo Auguſt mit ſeinem Bruder die Kurwürde erkämpft hatte, baute er ein anderes Schloß und nannte es nach ſeiner Gemahlin „die Annaburg“.
Den Königſtein ließ er befeſtigen und daſelbſt den 187 Meter tiefen „Auguſtusbrunnen“ graben. Auch in Dresden wurden die Befeſtigungen er weitert, dazu das Moritzdenkmal errichtet und die Annenkirche erbaut. Das Jagdſchloß Moritzburg wurde vollendet und im Dome zu Freiberg ein kunſt reiches Marmordenkmal für Moritz geſetzt.
Kurfürſt Auguſt war ein gelehrter Mann, der lateiniſch verſtand, auch fran zöſiſch ſprach und die Bücher ſo lieb hatte, daß er zu ſagen pflegte: „Dergleichen Schachte und Stolln ſind mir lieber denn alle Erzminen zu Freiberg und Wolken ſtein.“ Im 47. Jahre ſeines Alters fing er an, die lateiniſche Sprache mit vieler Mühe von neuem zu lernen. Um die Bibel in der Grundſprache leſen zu können, trieb er noch in ſeinen alten Tagen Hebräiſch. In jedem Jahre las er die ganze Bibel einmal durch.
Auch die Wiſſenſchaften ſuchte Vater Auguſt zu heben. Den beiden Landesuniverſitäten, Leipzig und Wittenberg, wandte er Geldmittel zu. Er gründete das Gymnaſium zum heiligen Kreuz in Dresden, die hernach ſo berühmt gewordene Kreuzſchule, welche u. a. Theodor Körner beſucht hat. [5] Auch für die Volksſchulen ſorgte der Kurfürſt, wo und wie er konnte.
Vater Auguſt begründete die Bibliothek zu Dresden und die „Kunſt kammer“, durch welche der Anfang zu den berühmten Dresdner Muſeen ge macht wurde.
Wenn der Kurfürſt Beamte anſtellte, ſo ging er klug und umſichtig vor; nur tüchtige Leute wurden ausgewählt. Sein Sprichwort war: „Man muß die Ämter mit Leuten und nicht die Leute mit Ämtern verſehen!“
Die Liebhabereien und Erholungen Vater Auguſts waren edler Art; im Lenz und Sommer pflegte er den Garten, im Herbſt die Jagd und im Winter
die Muſik und Handarbeit, namentlich das Drechſeln. Zu den Schützenfeſten der Bürger reiſte er gern. Den Schützengilden verlieh er Böller und Kanonen als Aus zeichnung. Überhaupt nahm er an den Freuden und Leiden ſeiner Landeskinder gern teil; er und ſeine Gemahlin ließen ſich oft als Taufpaten wählen und ſtat teten Brautleute reichlich aus.
So war er ein trefflicher Landesvater. Sollte er nicht auch ein trefflicher Gatte und Familienvater geweſen ſein? Volle 37 Jahre ſtand ihm die Kurfürſtin Anna in Liebe und Treue zur Seite; ja, in dieſem langen Eheleben war ſie nur wenige Wochen von ihm entfernt. Sie begleitete ihn auf Reiſen zu Reichs- und Kurfürſtentagen, an auswärtige Höfe, ja ſelbſt auf Jagdzüge. Sie beſuchte an ſeiner Seite den Landwirt, den Bienenzüchter, den Obſt- und Weinbauer, den Handwerksmann und den Künſtler. Aufs treulichſte wachte ſie über ihre Kinder, 9 Prinzen und 6 Prin zeſſinnen, von denen aber nur vier die Eltern über lebten. In der Kapelle des Auguſtusburger Schloſſes wird ein Altar bild gezeigt, gemalt von dem jüngeren Cranach, welches den am Kreuz er höhten Chriſtus und dar unter zu beiden Seiten den Kurfürſten mit den Prinzen und die Kur fürſtin mit den Prinzeſ- ſinnen in betender Hal tung darſtellt.
Anna war das Muſter einer Haus frau. Auf dem Oſtra vorwerke ſtellte ſie die Mägde an und hielt auf Ordnung und Sittſamkeit. In aller Frühe erſchien ſie täglich in der Gutswirtſchaft, unterſuchte den Stall, prüfte die Molkerei und ordnete den Verkauf für den Markt an. Sie ſchämte ſich nicht, ihre Tafelbutter ſelbſt zu rühren, ihrem Gemahl die feine Wäſche ſelbſt zu waſchen und zu plätten. Den Schlüſſel zu ihrem eigenen Wäſchevorrat führte ſie ſtets bei ſich. Sie hielt es mit Luthers Ausſpruch:
„Der Mann muß ſelber ſein der Knecht, Will er im Hauſe ſchaffen recht; Die Frau muß ſelber ſein die Mad, Soll ſie im Hauſe ſchaffen Rat. Geſinde nimmerhin bedenkt, Was Nutz und Schad dem Hauſe brengt!“
Mutter Anna.
Wie Anna ſelbſt die Spindel und die Nadel fleißig handhabte, ſo hielt ſie auch ihre Hoffräulein zu ſolch löblicher Beſchäftigung an. Außerdem war Mutter Anna eine Freundin und Wohlthäterin aller Armen. Sie ſuchte Arzneikräuter und bereitete Heilmittel in der von ihr gegründeten Hofapotheke zu Dresden, ſo daß ihr bei ihrem Tode die Bedrängten nachrühmtem, ſie hätten mit der Mutter Anna „einen Beutel, eine Apotheke, eine Küche, und eine Ver ſorgung“ gehabt.
Wieviel Anna bei ihrem Gemahl galt, geht aus folgendem Geſchichtchen hervor. Der Kurfürſt hatte einen hochgeſtellten Mann ins Gefängnis ſetzen laſſen. Die Frau des Gefangenen bat für ihren Mann zu wiederholten Malen, ſogar durch einen Fußfall vor dem Kurfürſten. Da ſie damit nichts erreichte, ſuchte ſie die Fürſprache des Hofpredigers Nikolaus Selneker nach. Der Hof prediger hielt dem Kurfürſten vor, wenn Gott mit uns ſo ſtrenge verfahren wollte, ſo würde kein Menſch in den Himmel kommen. Vater Auguſt erwiderte, ein weniger gütiger Fürſt hätte den Beamten ans Kreuz ſchlagen laſſen. Da über nahm es Anna, für den Gefangengehaltenen zu bitten. Sie ſah ihren Gemahl mit Wehmut an und ſprach: „Ach, mein Herr!“ Da kehrte Milde in das Herz des geſtrengen Kurfürſten ein, und er gab den Gefangenen frei.
Im Jahre 1585 wütete die Peſt in Dresden. Der Kurfürſt war, leicht erkrankt, auf Anraten ſeiner Ärzte im Schloſſe zu Colditz. Mutter Anna zeigte viel Geſchäftigkeit in der Bereitung von Medikamenten. Da erkrankte ſie ſelbſt, ordnete noch ein Kirchengebet für ſich an und erlag als ein Opfer der Peſt am 1. Oktober.
Nur vier Monate ſpäter folgte ihr der Kurfürſt im Tode nach. Beide Gatten, ſind im Dome zu Freiberg beigeſetzt. Ihr Gedächtnis bleibt in Segen.