Kapitel 8. Die Einführung der Reformation in Meißen.

Während die Reformation im erneſtiniſchen Sachſen ihre Wiege gefunden hatte und ſich dort unter dem Schutze Friedrichs des Weiſen und Johanns des Beſtändigen immer kräftiger entfalten konnte, war ihr der Eingang im albertin­ ſchen Sachſen ſo lange verſagt, als Georg der Bärtige die Zügel der Regierung in ſeiner Hand hatte. Georg, der hochgebildete und gerechte Fürſt, von dem Luther rühmend ſagte: „Er hat viel ſchöne Tugenden und iſt geſchickter zum Regieren, denn mancher fromme Fürſt”, der offene, biedere Charakter, der nicht duldete, daß dem Dr. Luther auf dem Reichstage zu Worms das freie Geleit ent­ zogen wurde: er war von der Berechtigung und Heiligkeit der päpſtlichen Macht ſo durchdrungen, daß er meinte, die Reformation Luthers aufs heftigſte bekämpfen zu müſſen. Zwar war er nicht blind gegen die offenbaren Schäden der Kirche, auch er wünſchte, „daß eine gemeine Reformation geſchehe”; aber hierzu ſchien ihm einzig und allein „ein chriſtlich Concil” berufen. Zudem ſuchte er die Reformation hauptſächlich nur in „einer Beſſerung des geiſtlichen Standes”, und für die Lehre der Rechtfertigung durch den Glauben fand er kein Verſtändnis. Sagte er doch: „Wenn die gemeinen Leute wiſſen ſollten, daß man allein durch Chriſtum ſelig würde, ſo würden ſie gar zu ruchlos und ſich gar keiner guten Werte befleißigen.”

Aus innerſter Überzeugung ſuchte Georg daher die alte bedrohte Lehre der katholiſchen Werkheiligkeit zu ſchützen, und je mehr er die Erfahrung machen mußte, daß die „neue Lehre” auch in ſein Land eindringe, um ſo mehr ſuchte er dieſelbe durch die härteſten Maßnahmen zu bekämpfen. Der Dresdener Buch­ händler Jobſt Weißbrodt, der durch eine ſatiriſche Schrift das Pfaffentum ſcharf angegriffen hatte, wurde verurteilt, „ſein erdicht Schandbuch zu freſſen”. In Königſtein wurde einem Bürger, der ſich für Luther ausgeſprochen hatte, die Zunge angenagelt, und ein Leipziger Buchhändler wurde enthauptet, weil er Lutherſche Schriften verbreitet hatte. Viele Anhänger des evangeliſchen Glaubens wurden des Landes verwieſen, namentlich in Leipzig, wo nach und nach 800 Ein­ wohner vertrieben wurden. Luther tröſtete die ausgewieſenen Leipziger in einem Sendſchreiben, darin er Leipzig mit folgenden Worten rühmte: „Wie gar heiliger iſt Leipzig, denn Sodom, darin Gott nicht fünf Häupter fand, die ſein waren.”

Mit ganz beſonderem Wohlgefallen blickte der ſtreng katholiſche Fürſt darum wohl auf die Stadt Meißen, die in damaliger Zeit eine Hauptſtütze des katho­ liſchen Glaubens war. Der Meißener Biſchof Johann VII., deſſen Biſtum ungefähr 400 Quadratmeilen mit über 3000 Kirchen umfaßte, unterſtützte im Verein mit dem einflußreichen Domprobſt Ernſt von Schleinitz und dem gelehrten und weltgewandten Dechant Julius Pflugk die Maßnahmen des Herzogs, die gegen die Lutherſche Lehre gerichtet waren, auf das kräftigſte, und mehrfach erließ er in ſeinem Sprengel ſcharfe Dekrete gegen Luther und ſandte Prediger aus, die „Verirrten” auf den rechten Weg zurückzuführen.

Noch im Jahr 1523, in einer Zeit, in der die Lutherſche Lehre ihren Sieges­ zug durch alle deutſchen Lande angetreten hatte, wurde auf des Meißner Biſchofs Veranlaſſung ein Werk rein katholiſcher Werkheiligkeit ausgeführt: Nachdem

33

der längſt verſtorbene Biſchof Benno vom Papſte heilig geſprochen worden war, wurden deſſen Gebeine ausgegraben, mit Wein gewaſchen und in einem koſtbaren Marmorgrab in der Meißner Domkirche abermals beigeſetzt, und zwar, wie der Chroniſt meldet, „in herrlicher Solennität | in Beyſein vieler Fürſten vnd Herren | unter welchen Herzog Georg zu Sachſen vnd ſeine zwey Söhne Johannes vnd Friedrich auch gegenwertig geweſen | vnd ſonſten ein großer zulauff | von vielem Volk fern vnd nahe.”

Aber auch Meißen, die Hochburg des katholiſchen Glaubens, blieb von dem belebenden Geiſteshauche der Reformation nicht unberührt. Wohl wagten es nur wenige, ihre Stellung zur Lutherſchen Lehre offen zu bekennen, aber im ſtillen zählte das Evangelium auch in jener Zeit hier ſchon viele Anhänger. Lutherſche Schriften wurden zur Zeit Georgs auch in Meißen vielfach vorgefunden, und die ceremonielle Feier der Heiligſprechung Bennos im Dome war von vielen be­ lächelt und beſpöttelt worden. Die Meißner Klöſter, früher überfüllt, leerten ſich mehr und mehr. Das Afrakloſter zählte 1589 nur 8, das Franziskanerkloſter ſogar nur noch 4 Ordensbrüder, und im Kloſter zum heiligen Kreuz war die Zahl der Nonnen bis auf 11 zurückgegangen. Alles weiſt darauf hin, daß der Reformationsgedanke auch im „römiſchen Meißen” erwacht war.

Georg vermochte darum trotz aller Gegenmittel nicht, den gewaltigen Strom der reformatoriſchen Bewegung von ſeinem Lande fernzuhalten; ja ſein eigener Bruder Heinrich bekannte ſich offen zur neuen Lehre und führte in ſeinen Ämtern Freiberg und Wolkenſtein die Reformation ein.

Düſtere Gedanken quälten darum den Herzog, als ſeine Leibeserben vor ihm ins Grab ſanken und Heinrich der berechtigte Thronfolger wurde. Um nun zu verhindern, daß die Reformation nach ſeinem Tode in ſein Land einziehe, ſollte Heinrich nur unter der Bedingung zur Regentſchaft gelangen, daß er ver­ ſpreche, in Glaubensſachen nichts zu ändern. Heinrich aber war hierzu nicht zu bewegen, ſondern erklärte den Geſandten des Herzogs: „Da ſei Gott für, daß ich um einer Hand voll Leute willen meinen Herrn Chriſtum verleugnen ſoll! Solche Unbeſtändigkeit ſollet Ihr nicht bei mir finden. Ehe ich dieſes thue, will ich lieber mit meiner Gemahlin betteln gehen. Im übrigen wird mir St. Peter nicht nehmen, was mir mein Gott gönnen will.” Als die Geſandtſchaft mit dieſer Botſchaft zurückkehrte fand ſie den Herzog tödlich erkrankt, und ohne ein Teſtament unterzeichnen zu können, ſtarb er am 17. April 1539.

Noch an demſelben Tage abends „bedeutungsvoll bei Fackelſchein” traf Herzog Heinrich in Dresden ein, um ſein berechtigtes Erbe anzutreten. Die Stimmung, die damals in Dresden und wohl auch im übrigen Lande herrſchte, kennzeichnet der Geheimſchreiber Heinrichs, Bernhard Freidinger, mit folgenden Worten: „In der Stadt war Trauer und Freude untereinander gemenget; was der alten Religion war, als Mönche, Pfaffen und ihr Anhang, waren betrübt; der gemeine Mann lobte Gott, und wurden viele Gewaltige alsbald belehret, welche vorher geſchworen hatten, ehe ſie lutheriſch werden wollten, wollten ſie eher aus dem Lande ziehen, welcher ich viele gekannt habe. Damals aber ließen ſie ſich vernehmem ſie hättens lange begehret und darauf gewartet, ließen ſich auch

3

34

einesteils überreden, die zuvor ſich vermaledeiet hatten, ehe ſie etwas von geiſt­ lichen Gütern haben wollten, daß ſie gleich wohl dieſelben annahmen.“

Am folgenden Tage nach dem Tode Georgs fand deſſen feierliche Beiſetzung im Meißner Dome ſtatt. Auch Herzog Heinrich wohnte anfangs der Feierlichkeit bei; als aber die Seelenmeſſen begannen, verließ er das Gotteshaus um ſich in der Kapelle der Albrechtsburg von ſeinem Hofprediger Lindenau eine Predigt über „die Vergänglichkeit des Irdiſchen“ halten zu laſſen.

Alsbald begann hierauf Herzog Heinrich, unterſtützt durch die Wittenberger Theologen, mit der Einführung der Reformation im albertiniſchen Sachſen. Während ſich aber das Volk, der drückenden Prieſterherrſchaft müde, dem evangeliſchen Bekenntnis mit Freuden zuwandte, fand Heinrich auf Seite der Geiſtlichkeit und des Adels vielfach Widerſtand.

Der damalige Meißner Biſchof Johann VIII., wie ſein Vorgänger Johann VII. ein eifriger Vertreter des Papſttums, ſuchte dem Herzog durch einen fein ausgedachten Schachzug zuvorzukommen, indem er erklärte, in ſeinem Bistum ſelbſt eine „Reformation“ vornehmen zu wollen. In einer umfangreichen Schrift „Eine gemeine chriſtliche Lehre in Artikeln, die einen jeden Chriſten zu wiſſen von nöten“, legte er die Grundſätze dieſer ſeiner „Reformation“ dar. Heinrich wandte ſich in dieſer Angelegenheit an den Kurfürſten und die Wittenberger Theo­ logen. Dieſe durchſchauten gar bald „der Meißner Pfaffen Gedicht“ und er­ klärtem „Wie wohl es im Anfange und in etlichen Artikeln ſchön pranget und ſich mit unſeren Federn ſchmücket, iſt doch viel Gifts darin.“

Herzog Heinrich ließ ſich darum nicht beirren und ordnete in ſeinem ganzen Lande eine Kirchenviſitation an. „Die verordneten Viſitatoren“ waren die herzög­ lichen Räte Casſpar von Schönberg, Rudolf von Rechenberg und die kurfürſt­ lichen Theologen Dr. Juſtus Jonas und Georg Spalatin nebſt dem kurfürſtlichen Rate Dr. Melchior von Creuzen.

Nachdem dieſe Viſitatoren in Leipzig und Dresden ihres Amtes gewaltet hatten, kamen ſie am 14. Juli 1539 nach Meißen. Gleichzeitig erſchien auch der Herzog Heinrich mit ſeinen beiden Söhnen Max und Auguſt und ſeinem Hof­ prediger Lindenau, ſowie der Kurfürſt Johann mit ſeinem Bruder Johann Ernſt und den Theologen Nicolaus von Amsdorf, Jacob Schenk und Sebaſtian Steude. Unter Glockengeläut und begrüßt von der jubelnden Menge des Volkes, hielt die glänzende Verſammlung ihren Einzug in die Stadt. Am folgenden Tage fand in der Domkirche, aus welcher tags zuvor das Grabmal Bennos entfernt worden war, der erſte evangeliſche Gottesdienſt ſtatt, an welchem ſämtliche erſchie­ nenen Fürſtlichkeiten ſamt ihrem Gefolge teilnahmen. Somit iſt der 15. Juli als der Reformationsfeſttag der Stadt Meißen zu bezeichnen.

Am nächſten Tage begannen die Verhandlungen der Viſitatoren. Auf ihre Aufforderung an die Domgeiſtlichkeit die Augsburgiſche Konfeſſion und deren Apologie anzunehmen, überbrachten Dechant Julius Pflugk und Domherr Heinrich von Karlowitz den Viſitatoren eine durchaus ablehnende Antwort. Doch die Viſitatoren kehrten ſich nicht an dieſen Proteſt, in dem ſich der Biſchof auf die „Reichsunmittelbarkeit des freien Hochſtifts“ berief, ſondern ſie erteilten den

35

Domherren die Weiſung, ſich in der Domkirche fernerhin aller „papiſtiſchen Ge­ bräuche“ zu enthalten. Im übrigen wurde dem geſamten Domklerus die Wahl geſtellt, entweder ein evangeliſches Kirchenamt anzunehmen oder die Stadt zu verlaſſen. Und als ſich daraufhin etliche Domherren vermaßen „ſchimpflich, ſpött­ lich und läſterlich von Gottes Wort und der Lehre, welche ihr Fürſt für chriſtlich, göttlich und wahr bekannt, zu reden“, erließ der Herzog den ſtrengen Befehl, daß „die Läſterer gebührlich geſtraft und des Landesherrn ernſtliches Mißfallen ſollte vermerkt werden.“

Indes der Widerſtand der Domgeiſtlichen, die in ihrem Vorgehen den Schutz des Kaiſers fanden, war nicht ſo leicht zu brechen. Zwar wurde der Biſchof am 22. Sept. 1539 zu einem Vertrag genötigt, in welchem er der Reichsunmittel­ barkeit entſagte; aber der Kaiſer, verletzt durch das ſcharfe Vorgehen der ſächſiſchen Fürſten, hob den Vertrag im nächſten Jahre wieder auf. Nach dem Tode Heinrichs ſetzte der ſtaatskluge Moritz den Kampf gegen die widerſpenſtigen Domherren fort. Moritz und ſein Nachfolger Auguſt, durch Verträge dem Kaiſer gegenüber gebunden, wagten jedoch nicht, die Einziehung des Meißner Hochſtiftes mit vollem Nachdruck zu betreiben. Erſt im Jahre 1581 erlangte Auguſt die Ad­ miniſtration des einflußreichen Hochſtiftes, nachdem deſſen Macht allmählich ge­ ſunken war und die Domgeiſtlichen ſich mehr und mehr in aller Stille dem Pro­ teſtantismus zugewandt hatten.

Sehr entgegenkommend zeigten ſich die Afraner Mönche den Viſitatoren. Unter Vorbehalt, im Genuſſe ihrer Renten zu verbleiben, erklärten ſie ſich bereit, das Evangelium anzunehmen und willigten ein, daß zwei evangeliſche Pfarreien, die eine zu Afra und die andere an der Stadtkirche errichtet würden. Überdies er­ klärte der Propſt des Kloſters, „zur Beſtellung und Verſorgung der Stadtpfarr­ kirche auf das Jahr 80 Gulden bar, 25 Scheffel Korn und 20 Scheffel Weizen zu geben,“ ebenſo auch zur „Verſorgung der Pfarrer zu Afra dem neu anzuſtellen­ den Prediger 30 Gulden nebſt 25 Scheffeln Korn und 10 Scheffeln Weizen zu reichen, dem Diakonus aber, ſo jetzt noch eine Kloſterperſon, 20 Gulden jährlich auszuzahlen, ihm auch, der zu jeder Zeit auf das Land müſſe reiſen können, ein Pferd zu halten, außerdem gelobend, daß beide Geiſtliche freien Tiſch haben ſollten“.

Als erſter evangeliſcher Pfarrer der Stadtkirche wurde Johannes Weiß, gen. Albinus, berufen, der dem Rate der Stadt von Melanchthon als „gelehrt, geübt, und zum Predigen wohl geſchickt“ empfohlen worden war.

Nicht ſo fügſam als die Afra-Mönche zeigten ſich die Barfüßer-Mönche des Franziskanerkloſters. Beſonders that ſich einer derſelben, der „Bruder Andreas Unger“ hervor, indem er öffentlich und mit „viel Spitzfündigkeiten“ gegen das Werk der Viſitatoren predigte. Er wurde der Stadt verwieſen, und die übrigen Kloſter­ brüder wurden nicht ſonderlich ſchonend behandelt. Lediglich auf ihr inſtändig Bitten erteilte der Herzog dem “Rate der Stadt den Auftrag, die Barfüßer ſolange notdürftig zu verſorgen, „bis alle Dinge genugſam beſtellt werden könnten“.

Die vollſtändige Durchführung der Reformation in Meißen, insbeſondere der hartnäckige Widerſtand der Domgeiſtlichkeit machte eine zweite Viſitation not­ wendig, die im Jahre 1540 von den Superintendenten Fuß und Zeuner und drei

36

Vertretern des Adels, Karl Rudolf von Rechenberg, Dietrich von Preuß und Hans von Kitzſcher auf Krakau, ausgeführt wurde. Außer ihren Verhandlungen mit der widerſpenſtigen Domgeiſtlichkeit iſt beſonders ein „geiſtliches Lokalſtatut“ er­ wähnenswert, das der Meißner Rat als Inſtruktion erhielt. Der Schlußpaſſus dieſer Inſtruktion, die namentlich Beſtimmungen über geiſtliche Amtshandlungen und deren Gebühren enthält, lautet für die damalige Zeit ſehr bezeichnend: „Auf daß auch ein chriſtlich und ehrbar Leben bei dem gemeinen Mann ſo viel möglich möchte erhalten werden, ſoll einem Ehrbaren Rate und Gemeine mit Ernſt aus Befehl unſeres gnädigen Herrn vorgehalten und auferlegt ſein, ſich Gott und ſeinem heiligen Evangelio zu Ehren und ihnen ſelbſt zum Beſten aller Gottes­ läſterung, Fluchens, Schwörens, Ehebrechens, Völlerei und anderer Übel zu ent­ halten, treulich und fleißig Gottes Wort zu jeder Zeit zu beſuchen und nicht auf den Kirchhöfen oder ſonſt, weil man predigt, mit unnützem Geſpräch zu ſtehen oder zu ſpazieren, auch nicht ärgerlich und ſchimpflich von dieſer Viſitation zu reden, bei Vermeidung göttlicher Strafe und des Landesfürſten Ungnade!“ —

Wohl bezweckte die Reformation zunächſt nur eine Verbeſſerung und Er­ neuerung der kirchlichen Verhältniſſe; ihre Wirkung erſtreckte ſich aber auch auf die übrigen Lebensgebiete, und namentlich wurde das Schulweſen kräftig angeregt und gefordert. Mit Recht erblickten die Reformatoren in einer chriſtlichen Schule eine feſte Grundlage der Kirche, und Luther ſagte: „Wenn Schulen zunehmen, ſo ſteht’s wohl, und die Kirche bleibt rechtſchaffen. Junge Schüler und Studenten ſind der Kirche Samen und Queller. Um der Kirche willen muß man chriſt­ liche Schulen haben und erhalten.“ Die Viſitatoren ſuchten darum ihre Auf­ gabe nicht nur in der Einrichtung des evangeliſchen Gottesdienſtes, in der Berufung geeigneter Kirchendiener u.ſ.w., ſie ließen ſich vor allem auch die Be­ gründung chriſtlicher Schulen angelegen ſein.

In Meißen ſah es, wie im übrigen Deutſchland, auf dem Gebiete des Schul­ weſens recht trübſelig aus. Wohl beſtanden hier zwei Schulen — die Kloſterſchule des Afrakloſters und die Schule des Domſtiftes, — aber dieſelben ſtanden ganz und gar im Dienſte der kirchlichen Intereſſen; denn ihre Hauptaufgabe, oder richtiger geſagt, ihre einzige Aufgabe beſtand darin, die Knaben im Chorgeſang auszubilden und zum Meßdienſt vorzubereiten. Die Domſchule wurde auf Ver­ anlaſſung der Viſitatoren aufgelöſt, und der Propſt des Afrakloſters ließ ſich gern bereit finden, ſeine Schule „einem Rate zu Meißen willig zuzuſtellen und aufzutragen“. Der Rat wandelte die ihm übertragene Schule in eine lateiniſche Schule um, die „schola sanatoria“ oder auch „Franciscaneum“ genannt wurde. Als Schullokal wurde das leer gewordene Franziskanerkloſter erwählt. Als erſter Rektor dieſer Schule wurde vom Rate der Stadt Hermann Fuchs, genannt Vulpius, berufen, der von den Viſitatoren Juſtus Jonas und Georg Spalatin als „ein ehrlich tapfer vnd wohl gelerter man“ bezeichnet worden war.

Veranlaßt durch die zweite Kirchenviſitation wurde wenige Jahre nach der Begründung des Franciscaneums in Meißen auch eine Mädchenſchule begrün­ det, an welcher Gertrud Moller als erſte „deutſche Schulmeiſterin“ angeſtellt wurde. Auch für dieſe Schule wurde dem Rate von dem Herzoge ein geiſtliches

37

Gebäude, nämlich die Terminei (Herberge) der Freiberger Dominikanermönche zur Verfügung geſtellt.

1543 wurde die Meißner Fürſtenſchule begründet, die inſofern in Beziehung zur Meißner Kirchenreformation ſteht, als die dadurch herbeigeführte Aufhebung des Afrakloſters die direkte Veranlaſſung zur Begründung derſelben wurde.

So wurde denn das altehrwürdige Meißen, vordem eine mächtige Warte des Katholizismus, durch Begründung von evangeliſchen Kirchen und Schulen gar bald zu einem ſegensreichen Hort der Reformation, die von hier aus kräftigen Schutz und weite Verbreitung gefunden hat.

E.Raſche.