Kapitel 4. Konrad, der erſte erbliche Markgraf von Meißen.

Der erſte erbliche Markgraf von Meißen aus dem Hauſe Wettin, Konrad der Große oder Reiche oder Fromme, war im Jahre 1098 geboren; er war der Sohn des Grafen Thimo von Brehna und Wettin und der Tochter des Bayern­ herzogs und Sachſenführers Otto von Nordheim, Ida, und nannte ſich anfänglich Graf von Wettin.

Über Konrads Jugend iſt faſt nichts bekannt.l Er erſcheint mehrfach als Zeuge auf Urkunden oder auch als Verleiher von Schenkungen und Gerechtſamen, die er Klöſtern zu teil werden läßt. Vor 1123 trat er das Erbe ſeines Vetters Wilhelm von Brehna: Brehna, Torgau und Kamburg an, und da in demſelben Jahre Markgraf Heinrich II. der Jüngere von Eilenburg und 1124 ſein älterer Bruder Dedo, ohne männliche Erben zu hinterlaſſen, ſtarben, ſo kam er in den Beſitz des geſamten wettiniſchen Hausgutes. Als der einzige lebende Sproſſe wettiniſchen Stammes hatte er die nächſten Erbanſprüche auf die erledigten Marken Meißen und Lauſitz.

Im wettiniſchen Hauſe galt der Brauch, daß bei Abgang der ſonſt berufenen Erben der zur Erbfolge berechtigt war, welcher dem gemeinſamen Stammvater am nächſten ſtand; das war aber jetzt Graf Konrad von Wettin. Sein Erbfolge­ recht war unzweifelhaft, und trotzdem erkannte es Kaiſer Heinrich V. (1106—1125) nicht an; er zog beide Marken als heimgefallene Reichslehen ein und übertrug auf dem Hoftage zu Worms Meißen und die Lauſitz an den Grafen Wiprecht von Groitzſch; um dieſe Zeit übergab er die ebenfalls erledigte Grafſchaft Thüringen an Hermann von Winzenburg, den Sohn des im Jahre 1122 verſtorbenen Grafen gleichen Namens.

Hierin erblickte aber der Herzog Lothar von Sachſen, welcher ſich ſchon vorher gegen den Kaiſer erhoben hatte, eine Verletzung des Herkommens; denn es hatte ſich längſt die Rechtsgewohnheit gebildet, daß bei Verleihungen von Reichswürden der nächſte männliche Erbe berückſichtigt werden mußte; zugleich empfand er es als Drohung und Herausforderung, daß gerade die wichtigſten Grenzmarken und deren Vorland Thüringen in den Händen von kaiſerlichen Parteigängern ſein ſollten. Es iſt erklärlich, daß ſich Konrad, welcher mit Recht über ſeine Zurückſetzung erzürnt war, mit Lothar gegen Heinrich V. verband. Von jenem erlangte er durch die Fürſprache der herzoglichen Gemahlin, ſeiner Stief­ nichte Richenza, die Mark Meißen und wurde Erbe der Eigengüter Heinrichs II. des Jüngeren von Eilenburg. Dieſe Verhältniſſe führten zu einem blutigen Kriege; durch ihn gewann Konrad die Mark Meißen, welche fortan dauernd in den Händen des Hauſes Wettin blieb.

Die Peterskirche auf dem Petersberge bei Halle. Die Peterskirche auf dem Petersberge bei Halle.

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Er vermählte ſich wahrſcheinlich um dieſe Zeit mit Luitgard, der Tochter eines ſchwäbiſchen Grafen Albrecht.

Für den Wettiner war es von großer Wichtigkeit, daß nach dem Abſcheiden Kaiſer Heinrichs V. († 23. Mai 1125) ſein Bundesgenoſſe Herzog Lothar von Sachſen zum deutſchen Kaiſer erhoben wurde (Auguſt 1125). Jetzt konnte er den inneren Angelegenheiten des Landes ſeine Aufmerkſamkeit mehr denn zuvor zuwenden. Vor allem begünſtigte er das Kloſter des heiligen Petrus auf dem Lautersberge bei Halle, das ſein verſtorbener Bruder Dedo gegründet und ſeiner Fürſorge beſonders empfohlen hatte; für alle Beſtimmungen, welche er zu ſeinen Gunſten traf — beachtlich iſt die Anordnung, der Petersberg dürfe nie mit Mauern umgeben werden — ſuchte und erhielt er die Beſtätigung des Papſtes, unter deſſen unmittelbare Obhut er das Peterskloſter ſtellte. Leider waren die Tage der Ruhe und des Friedens von kurzer Dauer; denn um ſeinen Länderbeſitz und ſein Anſehen zu wahren, hatte er zahlreiche Kämpfe, namentlich mit dem Markgrafen der Nordmark, Albrecht dem Bären, zu beſtehen; vorübergehend führte er auch Krieg mit König Konrad III. (1138–1152), dem Nachfolger Lothars; letzteren begleitete er 1136 auf ſeinem zweiten Römerzuge.

In demſelben Jahre erhielt er vom Kaiſer die Mark (Nieder-)Lauſitz, welche durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt war, und 1143 empfing er die Grafſchaft Rochlitz als Eigentum für ſich, ſeine Frau und ſeine Nachkommen, 1144 aber auf Lebenszeit den Gau Niſani und das Milzenerland (Budiſſin). So erſtreckte ſich jetzt die Wettiniſche Herrſchaft auf Meißen, Budiſſin und die Nieder­ lauſitz; dazu kamen die Eigengüter in den alten Marken Zeitz und Merſeburg (Oſterland).

Konrad war ein frommer Chriſt; deshalb beſchloß er, nach dem heiligen Lande zu pilgern. Er trat die Fahrt zu Anfang des nächſten Jahres (1145) an; einige ſeiner Freunde begleiteten ihn. Über den Verlauf der Reiſe ſind wir nicht unterrichtet. Nur Fabelhaftes und Märchenhaftes iſt darüber auf uns gekommen. Es ſteht nur feſt, daß er kurz vor dem 19. Mai in Jeruſalem ankam und dort in das Hoſpital eintrat. Dem Prior und den Kloſterbrüdern des Heiligen Grabes ſtiftete er ein Viertelpfund Goldes und verſprach, dem Kloſter jährlich zu Michaelis zwei Mark Silber zu ſchicken oder auch ein Stück Land zu ſchenken, welches jähr­ lich zwei Mark einbrächte, damit ſein, ſeiner Gemahlin und ſeiner Söhne An­ denken hier fortlebe und die Mönche ſie alle in ihr Gebet einſchlöſſen; zu dieſer Gabe ſollten auch ſeine Nachfolger in der Markgrafſchaft verpflichtet ſein.

Konrad hatte für die Zeit ſeiner Abweſenheit ſeinem Sohne Otto die Ver­ waltung des Landes übertragen. Auf der Rückreiſe erhielt der Markgraf die Nachricht von dem Hinſcheiden ſeiner geliebten Gattin Luitgard; ſie war am 19. Juni 1146 geſtorben und ſeinem Willen entgegen auf den Rat des Grafen Hoier von Mansfeld im Kloſter Gerbſtädt und nicht auf dem Petersberge bei Halle begraben worden, deſſen Kloſter Konrad zum Familienerbbegräbnis beſtimmt hatte. Hierhin wurde deshalb auch bald nach ſeiner Rückkehr die Leiche feierlich übergeführt.

Dann griff Konrad in die Streitigkeiten des Herzogs Wladislaus von Polen, des Schwagers vom Könige Konrad III., und ſeiner Brüder vermittelnd

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Konrad I. von Wettin. Luitgard, Konrads I. Gemahlin. Konrad I. von Wettin. Luitgard

ein und gewann ſeinem Sohne Dietrich die Fürſtentochter Dobergana als Ge­ mahlin. Im Frühling 1147 nahm er mit vielen der ſächſiſchen Fürſten das Kreuz gegen die heidniſchen Wenden. Er ſchloß ſich dem Heere an, das Anfang August bei Magdeburg zuſammenkam und in der Stärke vou etwa 60000 Mann gegen die Liutizen zog. Leider erfahren wir nichts von des Markgrafen Schick­

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ſalen auf dieſem Feldzuge. In den nächſten Jahren war er wiederholt als An­ hänger des Königs gegen den ſächſiſchen Herzog Heinrich den Stolzen thätig; wenn es aber irgend anging, widmete er ſich den Werken des Friedens; namentlich erhielt das Peterskloſter bei Halle auch jetzt wieder zahlreiche Beweiſe ſeiner Gunſt und Fürſorge.

König Konrads III. Nachfolger († 15. Februar 1152), Friedrich I. Barba­ roſſa (1152—1190), ſchloß ſich der Markgraf ſofort in Treue an. Auf dem Tage von Merſeburg (Mai 1152) traf er mit dem Dänenkönig Sven zuſammen, welcher wenig ſpäter ſich mit ſeiner Tochter Adela verlobte.

Konrads ehrliche Geſinnung und großer Freimut erhellt aus einer Sage, welche infolge dieſer Verbindung entſtanden iſt.

Saxo Grammaticus, ein Seeländer von ritterlicher Herkunft, welcher in ſeiner Dänengeſchichte (Saxonis Grammatici historia Danica – 1186) auch viel­ fach die deutſche Zeitgeſchichte berührt, berichtet nämlich, König Sven ſei nach der Rückkehr in die Heimat durch Kämpfe mit Seeräubern und ſeinen Nebenbuhlern, namentlich mit Knud und Waldemar, ſo in die Enge getrieben worden, daß er in der Entfernung des letzteren aus Dänemark das einzige Mittel ſeiner Rettung geſehen habe. Um dieſes zu erlangen, habe er zu folgender Liſt ſeine Zuflucht genommen. Er habe unter dem Vorwande, die Mitgift ſeiner Gemahlin einzu­ fordern, eine Reiſe zu ſeinem Schwiegervater angetreten und zum Begleiter Waldemar gewählt, mit dem er ſich verſöhnt habe. Freilich habe ſich dieſer — er mochte die Gefahr ahnen — erſt nach langem Zureden bereit erklärt. Beiden ſeien Boten vorausgeeilt, um ihre Ankunft am markgräflichen Hofe zu melden, zugleich aber auch Konrad zu veranlaſſen, Waldemar ſofort nach ihrem Eintreffen feſtzunehmen und gefangen zu halten. Hier aber habe ſich der Däne verrechnet; denn jener habe den Geſandten ſehr zornig entgegnet, „es ſchicke ſich nicht, daß er, ein alter Herr, ſolche Dinge vornehmen wollte, die er in ſeiner Jugend nicht einmal gethan. Es würde nicht wohl klingen, daß er auf ſeine alten Tage einen ſo unredlichen Streich begehen wollte, da er ſich ſonſt von Jugend an rechtſchaffen auſgeführt. Ja, er wollte lieber ſehen, daß ſein Schwiegerſohn, Tochter und Enkel am hellen lichten Galgen hingen, als geſchehen laſſen, daß ſeine Redlichkeit, deren er ſich ſo vieler Jahre lang befliſſen, in ſeinen letzten Lebensjahren einen Schandfleck bekommen ſollte. Wenn aber Sven ſeinen Gegner ohne dergleichen betrügliche Streiche öffentlich anfallen und überziehen wollte, ſollte ihn: ſeine Hilfe unverſagt fein.“ Als Sven von dieſen Worten gehört habe, ſei er ſchamrot ge­ worden und ſofort nach Dänemark zurückgekehrt.

Hier konnte er ſich gegen ſeine Feinde, die ihn von neuem angriffen, nicht halten; infolge ſeiner Grauſamkeit lichteten ſich von Tag zu Tag die Reihen ſeiner Anhänger; ſchließlich mußte er mit Weib und Kind das Land verlaſſen. Er begab ſich nach Meißen zu ſeinem Schwiegervater, bei welchem er ungefähr zwei Jahre verweilte.

über die letzten Tage Markgraf Konrads berichtet die lateiniſch ge­ ſchriebene Chronik des Peterskloſters bei Halle, als deren Verfaſſer ein Prieſter Konrad gilt. Es heißt hier in deutſcher Überſetzung:

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„1156. Konrad, Markgraf von Meißen und der Lauſitz, bedachte die Un­ beſtändigkeit ſeines Lebens und fürchtete, daß, wenn er noch länger in der ſündigen Welt leben wollte, er auch ſelbſt in ihren Untergang gezogen würde, und deshalb beſchloß er, ſie zu verlaſſen, und faßte den feſten Entſchluß, ins Kloſter zu gehen. Da er aber für die Zukunft der Kirche ſorgen wollte, nach welcher er ſich von Herzen ſehnte, das heißt für die Kirche auf dem Lauterberge, welche er ſchon aus­ giebig, wie es für ſie günſtig war, bedacht hatte, ſo rief er den Erzbiſchof Wich­ mann und den Markgrafen Albert von Brandenburg, auch alle ſeine Söhne und viele andere Geiſtliche und Weltliche, Edle und Dienſtmannen zuſammen und kam ſelbſt dorthin, um in ihrer Gegenwart ſeine Abſicht zu verwirklichen. Und ſo ver­ teilte er zuerſt alle Beſitzungen, welche er ſelbſt oder ſeine Gemahlin an dieſem Orte hatten, damit nicht etwa nach ſeinem Tode über die Länder ein Streit ent­ ſtünde, in die Hände ſeiner Söhne, das heißt: Otto wurde Markgraf von Meißen, Dietrich Markgraf der Lauſitz, Heinrich Graf von Wettin, Dedo Graf von Rochlitz, Friedrich Graf vou Brehna. Dann beſtimmte er, daß allemal der älteſte der Söhne oder Erben die Vogtei des Kloſters ſtiftungsgemäß ausüben ſollte, daß die Vogtei ſelbſt keinem jemals als Lehen überlaſſen werden und der Vogt keine weltliche Abgabe ohne Beſchluß der Brüder in den Angelegenheiten der Kirche, gleichſam aus eigenem Rechte, zu fordern wagen ſollte, und daß ſeine Söhne, was ſie auch ſelbſt verſprachen, und ihre Dienſtmannen in dieſem Kloſter ihr Begräbnis haben ſollten. Nachdem dies geordnet worden war, legte er vor dem Altar des heiligen Petrus ſeine weltlichen Gewänder ab, ließ ſich mit der Mönchskutte durch Erzbiſchof Wichmann bekleiden und nahm freiwillig die Armut auf ſich aus Liebe zu Chriſtus, unter dem großen Beifalle der anweſenden Fürſten, denen auch ſeine Demut gar reiche Thränen entlockte, weil ſie an einem Manne von ſolcher Be­ deutung eine ſo große Umwandlung erblickten, wie an ihm, allen ſichtbar, Gottes Gnade und Erbarmen ſeine unübertreffliche Geſinnung heller als das Licht offen­ barte. Dann erſt ruft er, ſchon ein Streiter Chriſti, ſeine Söhne herbei und übergiebt ihrer Huld ſeine Kirche, deren Mitglied er eben geworden war, damit ſie immer und überall ſich angelegen ſein ließen, der Kirche ihre Hilfe zu gewähren, in welcher, wie ſie wüßten, ihre Mutter bereits ruhe und auch er, ihr Vater, im Leben wie im Tode, und auch ſie ſelbſt dereinſt ruhen würden. Das ereignete ſich am Tage des heiligen Andreas (d. i. der 30. November), und an demſelben Tage übertrug er auch den Hain, der an der Oſtſeite des Berges lag, als ſeine letzte Schenkung dem heiligen Petrus. Er lebte aber noch nach ſeinem Eintritte in das Kloſter 2 Monate und 5 Tage.

Er ſtarb am 5. Februar (1157) im 59. Lebensjahre, und er wurde be­ graben vom Erzbiſchof Wichmann in der Mitte der Kirche, in welcher zu ſeiner rechten Seite ſeine Gemahlin und nach dieſer an derſelben Seite ſeine Schweſter Mechtild (Mathilde), die Mutter des Erzbiſchofs, deren Sterbetag der 21. Januar iſt, begraben wurden. Der Leichenfeier wohnten bei Walo, Biſchof von Havel­ berg. und Markgraf Albert und Hermann, der Sohn des letzteren, und alle ſeine Söhne außer Markgraf Otto und viele andere.“ Dr.PaulArras.

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