TL;DR

2006 bei #Piraten eingetreten, weil potentielle Überwachungsgefahr. In 2014 reale Überwachungsgefahr und #Piraten sind kaputt. Und nun?

Dieser Blogbeitrag wird sich nicht mit den Interna der Piratenpartei beschäftigen. Sondern, was der Verlust für Konsequenzen haben kann. Er ist Fragment und stellt Fragen. Vielleicht regt er auch an.
Quelle: Twitter Nutzer: DatKuddel

Die Rolle der Piratenpartei


In den ganzen Diskussionen innerhalb und außerhalb der Piratenpartei wurden tausende Problemfelder ausfindig gemacht, die für das Scheitern der Piraten Ursache sein sollten. Und abertausende mehr, worum sich die Piraten doch bitte kümmern sollten, wenn sie nicht in den Abgrund fallen wollen.

Die Piraten sollen
  • sich gegen Nazis positionieren,
  • sich für Teilhabe einsetzen
  • die Basisdemokratie leben
  • progressiv sein
  • Transparenz in Politik bringen
  • gendergerechte Sprache schreiben
  • sich für Homosexuelle einsetzen
  • Fracking verhindern
  • grüne Dächer fördern
  • Stadtbäder erhalten
  • sich für Fußballfans und deren Pyrotechnik einsetzen
  • Drogen legalisieren
  • Spaß in die Politik bringen
  • ein Vollprogramm haben
  • knackig Politik vermitteln
  • das Bedingungslose Grundeinkommen fordern
  • Liquid Democracy erforschen
  • sich in flachen Hierarchien organisieren
  • Gentechnik ablehnen
  • liberal sein
  • nicht grün sein
  • ehrliche Politik machen
  • sich für Asylsuchende einsetzen
  • gegen Überwachung engagieren

Doch all diese Punkte treffen nicht das Wesentliche. Sie sind Nebenbaustellen. Jepp, richtig gelesen, all diese Punkte gehen an der zentralen Frage vorbei, warum es die Piraten gegeben hat, warum man anfangs solch eine Angst vor uns Piraten hatte.

Die Probleme dieser Zeit sind nicht Nazis, sind nicht Finanzkrise, sind nicht "ungehörte" Bürger.

Die wirkliche Frage dieser Tage lautet: Wer hat die Informationshoheit?

Unsere Gesellschaft


Wir leben in einer Gesellschaft, die durch und durch digitalisiert ist.
Unsere Identitäten sind digital. Wir definieren uns darin, welche Spuren wir hinterlassen, wem wir vertrauen, was wir sagen, was wir tun.
Unsere Kultur wird digital, Blogs, Tweets, Homepages, Bilder, Bücher, Texte, Videos.
Unser Sozialleben ist digital, Wir verabreden uns, teilen unsere Gefühle, Gedanken.
Unsere Arbeit wird digital, wir bewerten und werden bewertet.
Unser Spuren werden digital, wo waren wir, was kauften wir.

Das Digitale hat die Eigenschaft beliebig kopiert zu werden.
Man kann es ändern, ohne Spuren zu hinterlassen. Und es ist billig, unfassbar billig.

Machtfrage


Das Wissen, die Informationen und die Möglichkeiten zur Steuerung bedeuten Macht.

Wer Informationen streuen kann, Datenflüsse beeinflussen, wer Wissen fälschen kann, wer prognostizieren kann, wie sich bestimmte Gruppen verhalten¹  und wer den einzelnen Menschen unter Druck setzen² kann hat alle Mittel in der Hand diese Gesellschaft zu steuern.

Die Piraten haben instinktiv (mE. unbewußt), diese Macht in Frage gestellt.

Sie setzten sich von Anfang an für den freien Zugang zu Wissen ein, sie nutzten das Internet um sich zu informieren und andere zu informieren. Die Piraten erkannten im Ansatz das Potential der sich immer höher schraubenden Überwachungsphantasien und entlarvten die vorgeschobenen Gründe für eine Regulierung des Internet. Sie stellten die Spielregeln in Frage und wurden daher gefährlich.

Ich weiß nicht, warum uns allen dieser Punkt der Machtfrage nicht so bewußt geworden ist, warum er mir erst jetzt, kurz vor dem außerordentlichen Parteitag, so klar scheint. Ich kann auch nicht sagen, wann wir begonnen haben, uns selbst ins Abseits zu stellen (und erst recht nicht, warum?).

¹ Precrime, INDECT
² Vorratsdatenspeicherung

Die Piraten sind kaputt? Und nun?



Wenn mit dem kommenden Parteitag von den Piraten nur ein Häuflein Asche bleibt, brennt dann die Lunte weiter?

Die Piratenpartei und ihre Anhänger wurden in den vergangenen Jahren immer wieder kriminalisiert. Zuerst als Piraten (Raubmordkopierer), dann als Verteidiger von Kinderfickern, als Rowdys, als wasweißichnichtalles.

Sie haben sich von all dem nicht beirren lassen, sie haben, wie ich, daran geglaubt, daß man als neue Partei was bewegen könne, daß man die Gesellschaft zu einer besseren machen könne.

Wenn all diese Menschen, die daran glaubten, durch ihr bis an die Selbstaufopferung grenzendes Engagement, dieses Land ändern zu können, wenn all diese Menschen mit dem kommenden Parteitag feststellen, dieser Weg hat nicht funktioniert. Was dann?

Noch schlimmer, wenn all diese Menschen sich jetzt am Ende die Frage stellen, warum war mir Thema XXXX wichtiger als die Frage der Macht im Informationszeitalter? Was macht das mit diesen Menschen?

Und noch schlimmer, wenn diejenigen, die früher die Piraten gefürchtet haben, nun deren Ende sehen, welche Grenzen werden fallen?

An diesem Punkt möchte ich nicht weiterdenken, die Konsequenzen sind unabsehbar. Für Dich, für mich, für jeden.